2. Jur Schuldfraze um Ausbruch des Welttriezes. 787
Erreichung unserer historischen Aufgabe sichergestellt wird. In seiner Ant-
wort an Kapitän Nemitz weist der Chef des Generalstabes darauf hin,
daß der Gedanke, neue Korps speziell für die Expedition nach Konstantinopel
zu formieren, gegenwärtig nicht verwirklicht werden kann. Die Meerengen
haben eine solche enorme Bedeutung in den Augen eines jeden Russen, daß,
wenn die Gefahr ihres Ueberganges von der Herrschaft der Türkei in andere
Hände heranrücken sollte, wir auf ihre Besitzergreifung nicht Verzicht leisten
können, folglich also sofort eine Landungsarmee nach Konstantinopel schicken.
müssen. Es ist anzunehmen, daß dieser Umstand nur im Laufe eines
europ. Krieges eintreten wird. Einem Kampf in den Meerengen um Kon-
stantinopel kann jedoch ein Zusammenstoß an unserer Westgrenze vorangehen.
Auf Ersuchen des Ministers des Aeußern beleuchtet der Chef des
Generalstabes alsdann die Frage, in welcher Zeit die für eine Landungs-
operation vorgesehenen Truppen mobilisiert werden können. Die 13. und
15. Division und die 4. Schützenbrigade, d. h. die Teile, die zur Formierung
des ersten Echelons der Landungsarmee vorgesehen sind, haben einen
Kompagniebestand von 60 Rotten, und ihre Mobilisation ohne Artillerie
findet innerhalb 5 Tagen statt. Die anderen Truppenteile, die zum Be-
stande des 7. und 8. Korps gehören, haben einstweilen nur 48 Rotten in
den Kompagnien und können deshalb erst in acht bis neun Tagen
mobilisiert werden; wenn es jedoch gewünscht werden sollte, so kann man
die für die Expedition vorgesehenen Truppen in noch größere Kriegs-
bereitschaft setzen, indem man ihre Kompagniestärke auf 84 oder selbst
100 Rotten bringt. Dies betrifft nur die Infanterie. Bezüglich der Ar-
tillerie bemerkt der Generalstabschef folgendes: Bis jetzt hatte unsere
Artillerie während der Friedenszeit nur die Bespannung für vier Geschütze
und zwei Munitionswagen, infolgedessen vollzieht sich ihre Mobilisation
im Laufe von 18 Tagen. Im Frieden entspricht in allen Grenzmilitär-
bezirken die Anzahl der Gespanne dem Bedarf von sechs Geschützen und
zwölf Munitionskarren. In diesem Bestande kann die Artillerie schon am
zweiten oder dritten Tage der Mobilisation ausrücken. Der Odessaer
Bezirk wird zu den inneren Bezirken gerechnet; wenn es deshalb als not-
wendig erkannt werden sollte, ihn in größerer Kriegsbereitschaft zu halten,
so müßte die Allerhöchste Genehmigung erfolgen, die Artillerie des Odessaer
Bezirks mit der verstärkten Bespannung zu versehen, die für die Grenz-
bezirke vorgesehen ist. Was die Kavallerie anbelangt, so befindet sie sich
stets auf dem Mobilisationsfuß. Für eine Landungsarmee kommt die
Kavallerie übrigens nur in der Anzahl von einem Regiment auf das Korps
in Betracht.
Die Versammlung geht alsdann zu den Fragen der Verkehrswege
über, die für die Ueberführung der Landungsarmee nach dem Hafen er-
forderlich sind, wo sie auf Schiffe gesetzt wird. Bezüglich der Bahn-
verbindungen wird vom Gesichtspunkte einer Landungsoperation gegen
Konstantinopel die Lage als zufriedenstellend bezeichnet. Die Versammlung
geht alsdann zur Frage über die Transportmittel über, die für die Ueber-
führung einer Landungsarmee nach den Meerengen erforderlich sind. Der
Marineminister hebt hervor, daß die Hauptschwierigkeit in der völligen
Unzulänglichkeit der im Schwarzen Meer vorhandenen Transportmittel
liegt. Auf Vorschlag des Ministers des Aeußern drückt die Versammlung
den Wunsch aus, daß die Regierung unverzüglich Maßregeln zur Ent-
wicklung unserer Schwarzmeerflotte ergreifen möge. Giers wendet sich darauf
der Frage zu, wie lange der Transport dauern könne. Der von dem
Kapitän Nemitz angegebene zweiwöchentliche Termin für das Eintreffen
der Landungstruppen in Konstantioopel kann nach Ansicht des Kaiserl.
507