Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

3. Jur Kriegspelitik Gesterreich-Angarns. 797 
betrifft, so muß seine Souveränität wieder hergestellt werden; es muß seine 
gesamten afrikanischen Besitzungen behalten. Hiermit soll der Frage der 
Entschädigung nicht vorgegriffen werden, die es für erlittene Verluste wird 
erhalten können. Serbien wird in seiner Souveränität wiederhergestellt 
werden. Als Pfand für unseren guten Willen sind wir geneigt, ihm nach 
Billigkeit einen natürlichen Zugang zum Adriatischen Meere, ebenso wie 
weitgehende wirtschaftliche Vorteile zu geben. Als erste und unbedingt zu 
erfüllende Bedingung wird Oesterreich-Ungarn seinerseits verlangen, daß 
das Königreich Serbien in Zukunft jede Verbindung mit irgendwelcher Ge- 
sellschaft oder Gruppe, insbesondere mit der „Narodna Obrana“, aufgebe 
oder solche Verbindungen unterdrücke, deren politisches Ziel auf die Auf- 
lösung der Monarchie gerichtet ist, daß es loyal und mit allen ihm zur 
Verfügung stehenden Machtmitteln jede derartige politische Agitation, sei 
es in Serbien, sei es außerhalb seiner Grenzen, verhindert und die 
Verpflichtung hierzu unter der Garantie der Ententemächte übernimmt. 
Die Ereignisse in Rußland zwingen Mich, Meine Gedanken hierüber bis 
zu dem Tage vorzubehalten, an welchem dort eine gesetzliche und definitive 
Regierung eingesetzt sein wird. Nachdem Ich Dir in dieser Weise Meine 
Gedanken auseinandergesetzt habe, werde Ich Dich bitten, daß Du Mir 
Deinerseits nach Rücksprache mit den beiden Mächten vorerst die Meinung 
Frankreichs und Englands mitteilst, um so das Terrain für ein Ein- 
vernehmen vorzubereiten, auf dessen Grundlage offizielle Besprechungen ein- 
eleitet werden, die zur Befriedigung aller führen könnten. Indem Ich 
gere daß Wir so von beiden Seiten baldigst den Leiden ein Ende setzen 
önnen von so vielen Millionen Menschen und von so vielen in Trauer 
und Angst befindlichen Familien, bitte Ich Dich, an Meine aufrichtige und 
brüderliche Gesinnung zu glauben. Karl. (Den Originaltext s. S. 801 f.) 
Nachdem Graf Czernin durch seine Note vom 8. April anerkannt hat, 
daß Besprechungen stattgefunden haben, die der Initiative einer Person 
entsprungen sind, die im Range weit über ihm steht, ist jetzt die österr.-ung. 
Regierung gezwungen, sich über den von ihr zugegebenen Versuch und über 
die Einzelheiten der Verhandlungen ihres Delegierten auszusprechen. 
Am 12. wird hierauf in Wien amtlich verlautbart: Der von dem 
franz. Ministerratspräsidium in seinem Kommuniqué vom 12. April 1918 
veröffentlichte Brief S. k. u. k. Apost. Maj. ist verfälscht. Vor allem sei er- 
klärt, daß unter der „im Range weit über dem Minister des Aeußern 
stehenden Persönlichkeit“", welche, wie in der amtlichen Verlautbarung vom 
7. April zugegeben wurde, im Frühjahr 1917 Friedensbemühungen unter- 
nommen hat, nicht S. k. u. k. Apost. Maj., sondern Prinz Sixtus von Bourbon 
verstanden werden mußte und verstanden wurde, da Prinz Sixtus im Früh- 
jahr 1917 mit der. Herbeiführung einer Annäherung der kriegführenden 
Staaten befaßt war. Zu dem von Herrn Clemenceau veröffentlichten Brief- 
text erklärt das k. u. k. Ministerium des Aeußern auf Allerhöchstem Befehl, 
daß S. k. u. k. Apost. Maj. seinem Schwager, dem Prinzen Sixtus von 
Bourbon, im Frühjahr 1917 einen rein persönlichen Privatbrief geschrieben 
hat, der keinen Auftrag an den Prinzen enthielt, eine Vermittlung beim 
Präsidenten der Franz. Republik oder sonstwie einzuleiten und die ihm 
gemachten Mitteilungen weiterzugeben sowie Gegenerklärungen zu ver- 
anlassen und entgegenzunehmen. Dieser Brief erwähnte die belgische Frage 
überhaupt nicht und enthielt bezüglich Elsaß-Lothringens folgende Stelle: 
„Ich hätte Meinen ganzen persönlichen Einfluß zugunsten der franz. Rück- 
forderungsansprüche bezüglich Elsaß-Lothringens eingesetzt, wenn diese An- 
sprüche gerecht wären; sie sind es jedoch nicht.“ Den im Kommunicqué des 
franz. Ministerratspräsidiums vom 9. April erwähnten zweiten Brief des 
 
	        
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