Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

800 Anhanus I. Biplemstisce Euthähnuzen. 
dem Grafen Mensdorff zu erteilenden Instruktionen bezüglich der Friedens- 
bedingungen der Mittelmächte. (Das Protokoll der Besprechung ist in den 
„Münch. Neuesten Nachr.“ 1922 Nr. 81, 83, 85 veröffentlicht.) Der Reichs- 
kanzler erklärte sich mit der Entsendung eines österr. Vertrauensmannes 
nach der Schweiz unter folgenden Bedingungen einverstanden: 1. Derselbe 
hat sich rezeptiv zu verhalten. 2. Er könnte in sehr vorsichtiger Weise durch- 
leuchten lassen, daß eine Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland 
auf der Basis a) eines territorialen Austausches in Europa, b) eines all- 
gemeinen kolonialen Abkommens und c) wirtschaftlicher Kompensationen 
ihm im Bereiche der Möglichkeit zu liegen scheine. 3. Müßte der Vertrauens- 
mann die Frage stellen: Wie wird sich England zu einem derartigen 
Arrangement stellen? Die Besprechung erstreckte sich ferner auf die Ost- 
fragen, die Türkei und die allgemeine Abrüstung. Dabei stellte Graf Czernin 
die Möglichkeit zur Erwägung, daß für etwaige Zugeständnisse im Westen 
grundsätzlich Entschädigungen im Osten zu suchen seien und entwickelte zum 
ersten Male ein Annexionsprogramm, das zugunsten Deutschlands auf 
die austro-poln. Lösung verzichten wollte, wenn Oesterreich-Ungarn Rumänien 
wenigstens bis zum Sereth zugeteilt erhielte. Am Schluß der Besprechung 
über die Ostfragen präzisierte Graf Czernin seinen Standpunkt folgender- 
maßen: 1. Bevor es nicht feststeht, daß die zurzeit von den Feinden be- 
setzten Landesteile an die Monarchie zurückerstattet werden, dürfe eine 
Herausgabe russ. oder Balkangebietes nicht stattfinden. 2. Die Neuerwerbungen 
Deutschlands und Oesterreich-Ungarns sollen in territorialer und wirtschaft- 
licher Hinsicht in eine gewisse billige Relation gebracht werden. Werde der 
Friede derart geschlossen, daß sich Deutschland mit dem status quo begnügen 
müßte, dann würde sich auch die Monarchie mit der vollen Integrität zu- 
frieden geben. Sollte jedoch Deutschland Landerwerb einheimsen, dann 
müßte die Monarchie auf der Zuteilung der Wallachei bestehen. Der Reichs- 
kanzler erklärte sich mit diesem grundsätzlichen Standpunkt des Grafen 
Czernin einverstanden. Von den mit dem Prinzen Sixtus angeknüpften 
Friedenserörterungen wurde dem Reichskanzler nichts mitgeteilt, so daß der 
Verdacht nicht abzuweisen ist, Czernins Vorschlag, Graf Mensdorff nach 
der Schweiz zu schicken, habe lediglich bezweckt, den deutschen Aufpasser 
abzulenken. Der Aufenthalt des Grafen Mensdorff in der Schweiz verlief 
völlig ergebnislos und er wurde bereits am 9. April zurückberufen (s. die 
Dokumente in den „Münch. Neuesten Nachr.“ 1922 Nr. 101). « 
Bereits am 12. März traf Prinz Sixtus mit dem Abgesandten des 
Kaisers Karl, dem Grafen Th. Erdödy, in Genf zusammen, der ihm den drin- 
genden Wunsch des Kaisers nach einer persönlichen Aussprache überbrachte. 
Darauf begab sich Prinz Sixtus mit seinem Bruder Xaver im strengsten 
Inkognito nach Wien, wo am 23. März insgeheim eine Begegnung mit 
dem Kaiserpaar in Laxenburg stattfand. Dabei erklärte Kaiser Karl, daß 
in Deutschland das Dogma vom Endsieg unerschütterlich sei, daß er das 
Unmögliche versuchen werde, Deutschland zu einem gerechten Frieden zu 
bewegen, daß er aber entschlossen sei, wenn dieser Versuch vergeblich bliebe, 
sich dem Wahnwitz des Nachbarn nicht zu opfern, sondern einen Separat- 
frieden zu schließen. An der Aussprache nahm teilweise auch Graf Czernin 
teil, der sich jedoch sehr zurückhaltend äußerte. Auch eine besondere Unter- 
redung zwischen dem Prinzen Sixtus und Graf Czernin am folgenden 
Tage verlief ohne Ergebnis. Am Abend weilte Prinz Sixtus noch einmal 
bei dem Kaiser in Laxenburg, der ihm ein eigenhändiges Schreiben über- 
reichte, worin er ihm in Zusammenfassung der stattgefundenen Unter- 
ree seine Stellung zu den oben mitgeteilten Hauptfriedensbedingungen 
präzisierte. 
 
	        
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