3. Zur Kriegspelitik Gesterreic-Augerns. 803
Adria ausgingen. Es reduziert seine Forderungen auf das Tirol italie-
nischer Zunge. Ich habe die Prüfung dieses Verlangens verschoben bis zu
dem Zeitpunkt, wo Du mir die Antwort Frankreichs und Englands über
meine Friedensanbahnung überbracht haben wirst. Graf Erdödy wird Dir
meine Gesichtspunkte und die meiner Minister zur Kenntnis bringen und
hinsichtlich der verschiedenen Punkte klarlegen. Das gute Einvernehmen der
Monarchie, Englands und Frankreichs in einer so großen Zahl wesentlicher
Punkte wird — davon bin ich überzeugt — die letzten Hindernisse aus
dem Wege räumen, um zu einem ehrenvollen Frieden zu gelangen. Ich
danke Dir für Deine Mitwirkung bei dem von mir unternommenen Friedens-
angebot, das ich im Gesamtinteresse unserer Länder unternehme. Dieser
Krieg, wie Du es hier schon sagtest, legte Dir die Pflicht auf, Deinem
Namen und der großen Vergangenheit des Hauses treu zu bleiben, zuerst
indem Du auf dem Schlachtfelde Verwundete pflegtest und nachher für
Frankreich mitkämpftest. Ich begreife Deine Haltung, und obschon ich durch
Ereignisse, für die ich in keiner Weise verantwortlich bin, von Dir getrennt
wurde, bleibt meine Zuneigung zu Dir aufrecht. Ich behalte mir die Mög-
lichkeit vor, daß, falls Du es wünscht, ein anderer Vermittler meine Denk-
art direkt und persönlich Frankreich und England übermittelt. Ich bitte
Dich zum Schluß, an meine lebhafte und brüderliche Zuneigung zu glauben."
Gleichzeitig übergab der Kaiser dem Prinzen ein von Graf Czernin
verfaßtes Schriftstück, welches dem Prinzen als Aide-Memoire für die ge-
pflogenen mündlichen Verhandlungen dienen sollte. Dasselbe lautete: „1. Eine
einseitige Gebietsabtretung Oesterreich-Ungarns ist ausgeschlossen; bei einer
Kompensation durch anderes Gebiet wäre der Gedanke ventilierbar, falls in
Betracht gezogen wird, daß der heldenhaft verteidigte, mit dem Blut unserer
Soldaten getränkte Boden einen für uns unvergleichlich höheren Wert hat
als irgendein neues Gebiet. 2. Welches sind die Garantien, die uns ge-
boten werden, daß bei der Konferenz die Integrität der Monarchie (mit
den eventuell jetzt beschlossenen Grenzrektifikationen) bestehen bleibt? 3. Eine
definitive Antwort kann erst nach Beantwortung der vorstehenden zwei
Punkte gegeben werden, da Oesterreich-Ungarn erst dann mit seinen Alliierten
in Besprechungen eintreten kann. 4. Immerhin ist Oesterreich-Ungarn be-
reit, die Besprechungen fortzusetzen, und nach wie vor geneigt, für einen
ehrenvollen Frieden zu arbeiten und damit auch den allgemeinen Welt-
frieden an zubahnen."“
Nach der Rückkehr aus Wien hatte Prinz Sixtus am 20. Mai eine
erneute Zusammenkunft mit Poincaré und Ribot, am 28. Mai besprach er
sich in London mit Lloyd George, mit dem er sich zum König begab und
dem er eine Zusammenkunft der Staatsoberhäupter Englands, Frankreichs
und Italiens vorschlug. Das Angebot eines Sonderfriedens seitens Italiens
an Oesterreich-Ungarn wurde von Sonnino ehrenwörtlich in Abrede ge-
stellt. Ribot und Lloyd George wollten die Verhandlungen nicht abbrechen
und luden den ital. König zu einem Besuche der franz. Front ein, um die
Angelegenheit mit ihm zu besprechen. Die Reise konnte aber nicht statt-
finden, und so fiel der Friedensvorschlag ins Wasser. Der Brief Kaiser
Karls v. 9. Mai wurde von der Entente nicht beantwortet. Die formelle
Absage der Entente erteilte der Minister des Aeußern Ribot in der Sitzung
der franz. Kammer v. 12. Okt. (s. GeschKal. 1917 Tl. 2 S. 454), indem er
den österr. Friedensfühler als eine unaufrichtige Machenschaft ablehnte.
Das Bekanntwerden des Sixtusbriefes im April 1918 erregte
das größte Aufsehen und bedeutete eine schwere Belastungsprobe des deutsch-
österr. Bündnisses. Als unmittelbare Folge führte diese Affäre zum Rück-
tritt des Grafen Czernin. (S. dazu S. 28.) Kaiser Karl versuchte zunächst
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