806 Auhans I. Biplematische Euthüllnnzen.
den bevorstehenden Zusammenbruch ersichtlich machen, so wird jede Demarche
vergeblich sein und die Entente wird auf keine Bedingungen, außer auf die,
welche die vollständige Vernichtung der Zentralmächte bedeuten, eingehen.
Rechtzeitig also zu beginnen, ist von kardinaler Wichtigkeit. Ich kann hier,
so peinlich es mir ist, das Thema nicht beiseite lassen, auf welchem der
Nachdruck meiner ganzen Argumentation liegt. Es ist dies die revolutionäre
Gefahr, welche auf dem Horizont ganz Europas aufsteigt und welche, von
England gestützt, seine neueste Kampfart darstellt. Fünf Monarchen sind in
diesem Kriege entthront worden und die verblüffende Leichtigkeit, mit welcher
jetzt die stärkste Monarchie der Welt gestürzt worden ist, möge dazu bei-
tragen, nachdenklich zu stimmen und sich des Satzes zu erinnern: Exempla
trahunt. Man antworte mir nicht, in Deutschland oder Oesterreich--Ungarn
seien die Verhältnisse anders, man erwidere nicht, daß die festen Wurzeln
des monarchischen Gedankens in Berlin oder Wien ein solches Vorgehen
ausschlössen. Dieser Krieg hat eine neue Aera der Weltgeschichte eröffnet;
er hat keine Vorbilder und keine Vorakten. Die Welt ist nicht mehr die-
selbe, wie sie noch vor drei Jahren war und vergeblich wird man nach
Analogien für alle die Vorgänge, die heute zur Alltäglichkeit geworden sind,
in der Weltgeschichte suchen. Der Staatsmann, der nicht blind oder taub
ist, muß wahrnehmen, wie die dumpfe Verzweiflung der Bevölkerung täg-
lich zunimmt; er muß das dumpfe Grollen hören, das in den breiten Massen
vernehmbar ist, und er muß, wenn er sich seiner Verantwortung bewußt
ist, mit diesem Faktor rechnen. Ew. Maj. sind die geheimen Berichte der
Statthalter bekannt. Zwei Sachen sind klar. Auf unsere Slawen wirkt die
russische Revolution stärker als auf die Reichsdeutschen, und die Verant-
wortung für die Fortsetzung des Krieges ist weitaus größer für den Mon-
archen, dessen Land nur durch das Band der Dynastie geeinigt wird, als
für den, wo das Volk selbst für seine nationale Selbständigkeit kämpft. Ew.
Maj. wissen, daß der Druck, der auf der Bevölkerung lastet, einen Grad
angenommen hat, der einfach unerträglich wird. Ew. Maj. wissen, daß der
Bogen dermaßen gespannt ist, daß ein Zerreißen täglich erwartet werden
kann. Treten aber erst einmal ernstere Unruhen bei uns oder in Deutsch-
land zutage, so ist es unmöglich ein solches Faktum vor dem Ausland zu
verheimlichen und in diesem Augenblick sind auch alle weiteren Bemühungen,
den Frieden zu erreichen, erfolglos geworden. Ich glaube nicht, daß die
interne Situation in Deutschland wesentlich anders steht als hier, nur
fürchte ich, daß man sich in Berlin in den militärischen Kreisen gewissen
Täuschungen hingibt. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß auch Deutsch-
land genau ebenso wie wir an dem Ende seiner Kraft angelangt ist, wie
dies ja die verantwortlichen politischen Faktoren Berlins auch gar nicht
leugnen. Ich bin felsenfest davon durchdrungen, daß, wenn Deutschland
versuchen sollte, eine weitere Winterkampagne zu führen, sich im Innern
des Reiches ebenfalls Umwälzungen ergeben werden, welche mir viel ärger
erscheinen als ein von den Monarchen geschlossener schlechter Friede. Wenn
die Monarchen der Zentralmächte nicht imstande sind, in den nächsten Mo-
naten den Frieden zu schließen, dann werden es die Völker über ihre Köpfe
hinüber machen und dann werden die Wogen der revolutionären Vorgänge
alles das wegschwemmen, wofür unsere Brüder und Söhne noch kämpfen
und sterben. Ich möchte gewiß keine oratio pro domo halten, aber ich bitte
Ew. Maj., sich gnädigst erinnern zu wollen, daß, als ich als einziger seit
zwei Jahren den rumänischen Krieg vorausgesagt habe, ich nur tauben
hren gepredigt habe, und daß ich, als ich zwei Monate vor dem Kriegs-
ausbruch fast den Tag des Beginnens prophezeite, nirgends. Glauben fand.
Ebenso überzeugt wie von meiner damaligen Diagnose bin ich von meiner