Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

Anhang II. Nachträge. 819 
zur Veröffentlichung eingegangenen Manifest. Anfangs bat der Justiz- 
minister nur, den Druck des Manifestes anzuhalten, aber schon um 11 Uhr 
nachts erschien bei Kedrinsky ein Beamter für besondere Aufträge aus dem 
Justizministerium, der die Vorlage des Originals verlangte und die Ab- 
gabe des Korrekturbogens an das Archiv des Senats anordnete. 
Dem Finanzminister Grafen Witte war es gelungen, den Zaren von 
der Notwendigkeit der Verleihung einer Verfassung zu überzeugen. Am 
30. Okt. unterzeichnete der Zar das von Witte verfaßte sog. Oktober= 
Manifest, das die Grundzüge einer Verfassung bewilligte. 
Anhang lI. 
Nachträge. 
Zu Teil 1. 
S. 273 3. 11 v. u. Es handelte sich bei dieser Vereinbarung um 
das Dobrudschaabkommen (s. Tl. 2 S. 531). 
S. 432. 9. Nov. Abdankung Kaiser Wilhelms II. 
Der ehem. Kronprinz Wilhelm berichtet in seinen „Erinnerungen“ 
(hrsg. v. Karl Rosner, Cotta, Stuttgart 1922) über die Vorgänge in Spa 
am 9. Nov. 1918 folgendes: Am 8. Nov. 1918 abends erhielt ich in Waulsort 
unerwartet von Seiner Majestät Befehl, mich am 9. Nov. vormittags in 
Spa bei ihm zu melden... Kurz nach zwölf (am 9. Nov.) war es, da 
wir, bis auf die Knochen durchfroren und erstarrt, in Spa ankamen. 
In der Villa Fraineuse draußen vor der Stadt wohnte der Kaiser. Der 
Hofmarschall, General von Gontard, empfing mich in der Halle. Sein 
Gesicht war ernst und tief besorgt. Nur ein hilfloses Aufheben beider 
Hände war die Antwort auf meine Fragen — und sagte mehr als Worte. 
Und da war auch schon mein Chef, Graf Schulenburg, bei mir. Nach 
dem Berichte Schulenburgs hatten die Ereignisse bis zu meinem Eintreffen 
sich wie folgt entwickelt: Mein Vater hatte am frühen Morgen mit seinem 
Generalstabsoffizier, Major Niemann, die Lage eingehend erörtet und sich 
entschlossen, dem drohenden Umsturz die Stirn zu bieten. Mit diesem festen 
Entschluß kam der Kaiser zu einer Besprechung, zu der der Generalfeld- 
marschall und General Gröner, Plessen, Marschall, Hintze, Herr von Grünau 
und Major Niemann zugezogen worden waren. Der Generalfeldmarschall 
hatte da als erster gleich einleitend ein paar Worte gesprochen, die klar 
erkennen ließen, daß er so weit war, das Ganze aufzugeben: Er müsse 
Seine Majestät um seine Entlassung bitten, da er das, was er auszusprechen 
sich genötigt fühle, seinem Könige und Herrn als preußischer Offizier nicht 
sagen könne. Nur mit dem Kopfe hatte der Kaiser gezuckt: Erst hören, 
was es ist. Jetzt hatte General Gröner das Wort ergriffen. Gröner — 
seit knapp zwei Wochen der neue Mann auf dem verlassenen Platze 
Ludendorffs, der Mann, der Hemmungen, wie sie dem alten General- 
feldmarschall die Worte in der Kehle würgten, nicht kannte. Ein neuer 
Ton, der sich brüsk und demonstrativ von allem Herkommen lossagte, 
der sich an dieser Mißachtung aller Vergangenheit innerlich stark zu 
machen suchte für den Herzstoß, der jetzt kommen sollte. Was mir 
Schulenburg von den Worten des Generals Gröner wiedergab, das 
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