Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

824 Auhang II. Nachträze. 
Hintze hatte also soeben damit begonneu, die von Seiner Majestät 
vollzogene Erklärung zu telephonieren, als er unterbrochen wurde: diese 
Erklärung nütze gar nichts — es müsse die völlige Abdankung — auch 
als König von Preußen ausgesprochen werden, und Herr von Hintze 
möge zuhören, was ihm jetzt telephoniert werde! — Der Staatssekretär 
hatte sich diese Unterbrechung verbeten und erklärt, daß jetzt vor allem der 
Entschluß Seiner Majestät zu Worte kommen müsse, und diesen verlesen. 
In unmittelbarem Anschluß an seine Worte hatte Berlin darauf mitgeteilt, 
daß eine Erklärung durch das Wolffsche Bureau bereits veröffentlicht worden 
und alsbald auch bei einzelnen Truppen durch Funkspruch bekannt geworden 
sei. .. Der Staatssekretär von Hintze hatte sofort entschieden Protest er- 
hoben gegen diese ohne Ermächtigung des Kaisers erfolgte Bekanntgabe, 
die den Entschließungen Seiner Majestät in keiner Weise entspreche, und 
hatte wiederholt den Reichskanzler persönlich zu sprechen verlangt. Prinz 
Max von Baden war dann an das Telephon gekommen, hatte sich auf 
Hintzes Anfrage zu der eigenmächtig verfaßten und verbreiteten Erklärung 
bekannt und erklärte, daß er für sie eintrete. Er leugnete also gar nicht, 
der geistige Urheber dieses unbegreiflichen Schrittes zu sein, der angeb- 
liche, in dieser Form niemals gefaßte Entschlüsse Seiner Majestät ohne 
dessen Ermächtigung bekanntgab und der meinen eigenen Entschließungen 
— die bisher überhaupt noch nicht auch nur mit einem Worte zur Dis- 
kussion gestanden hatten — zum mindesten leichtfertig vorgriff! Denn dieses 
war uns klar: daß bei der erregten und empfänglichen Stimmung von 
Heimat und Truppe durch das unerhörte Vorgehen des Prinzen der Schein 
vollendeter Tatsachen geschaffen war, durch den uns der Boden, auf dem 
wir standen, unter den Füßen fortgenommen werden sollte. 
Klarer in unserem Urteil über das, was Seiner Majestät und mir 
hier widerfahren war, und in der Ansicht über das, was nun nottat, 
gingen wir wieder in das Kaminzimmer hinüber, in dem sich die andern 
Herren inzwischen versammelt hatten. Eine tiefe Bestürzung über die un- 
geheuerliche Tatsache ergriff auch sie. Rufe der Empörung und Vorschläge, 
wie diesem tückischen Streich zu begegnen sei, mengten sich. Schulenburg 
und ich beschworen Seine Majestät, sich der Vergewaltigung durch diesen 
Staatsstreich unter keinen Umständen zu beugen, der Machenschaft des 
Prinzen mit allen Mitteln entgegenzuwirken und unbeirrt auf seinem 
vorher gefaßten Entschlusse zu beharren. Der Graf betonte dabei, daß 
durch diesen Vorgang die Notwendigkeit für den Kaiser, als Oberster 
Kriegsherr beim Heere zu verbleiben, nur noch zwingender geworden sei. 
Wir fanden bei diesen Ausführungen auch Unterstützung bei General von 
Marschall und besonders bei dem greisen Generaloberst von Plessen, dessen 
ritterlich getreues Wesen und dessen altes Soldatenblut die sonst oft allzu 
vorsichtig gewahrte Form des hohen Hofmannes durchbrach und sich flam- 
mend gegen den schmählichen Streich empörte, den man hier gegen seinen 
Kaiser und gegen dessen ganzes Haus geführt hatte. Von großer Wichtig- 
keit war es, daß er durch persönliches Rückfragen die Haltlosigkeit einer 
Grönerschen Behauptung, daß auch die Truppen des Hauptquartiers un- 
verläßlich geworden seien und dem Kaiser einen genügenden Schutz 
nicht mehr gewährten, erwiesen hatte. Graf von der Schulenburgs und 
mein weiterer Vorschlag, uns mit der Niederwerfung der revolutionären 
Elemente in der Heimat zu betrauen, und unser Anerbieten, zunächst in 
Köln geordnete Zustände wiederherzustellen, lehnte der Kaiser ab; er wollte 
keinen Krieg von Deutschen gegen Deutsche. Schließlich erklärte er aber 
wiederholt und mit großer Bestimmtheit, daß er bei seinem Entschlusse, 
eventuell nur als Kaiser abzudanken, verharre, daß er König von Preußen
	        
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