Full text: Die Zuständigkeit des deutschen Bundesrates für Erledigung von Verfassungs- und Thronfolgestreitigkeiten.

in seinem Art. 1 ausschliesslich von Irrungen zwischen der 
Regierung und den Ständen — bzw. in seinem Art. 11 
zwischen den Sernaten der Freien Städte und deren Bürger- 
schaften — über die Auslegung der Verfassung oder über die 
Grenzen der bei Ausübung bestimmter Rechte des Regenten 
den Ständen eingeräumten Mitwirkung. — Die damit er- 
wähnten Irrungen sind selbstverständlich Streitigkeiten — beide 
Begriffe decken sich. Nach dem Wortlaute dieses Beschlusses 
müssen jene Irrungen bestehen zwischen der Regierung und 
der Volksvertretung, bzw. zwischen dem Senat und den Ver- 
tretern der Bürgerschaft, d. h. „zwischen denjenigen Organen 
des Staates, welche verfassungsmässig zur Wahrung und Hand- 
habung der Verfassung berufen sind“,19) wenn anders eine 
Verfassungsstreitigkeit vorliegen soll. Diese Bestimmung hat 
die Reichsverfassung übernommen, wie daraus zu entnehmen 
ist, dass im verfassungsberatenden Reichstage ausschliesslich 
die Ansicht zum Ausdruck gebracht wurde, dass unter Ver- 
fassungsstreitigkeiten im Sinne des Art. 70 Abs. 2 des Entwurfs 
nur oder doch in erster Linie Streitigkeiten zwischen Regierung 
und Volksvertretung zu verstehen seien. Ich verweise auf die 
Aeusserungen insbesondere Zachariaes, auch Reichenspergers, 
Wiggers, Windhorsts und Schwarzes.14) 
Daraus folgt — es wurde hierauf schon hingewiesen —, 
dass Beschwerden eines einzelnen oder von Körperschaften 
über die Verletzung subjektiver verfassungsmässiger Rechte 
nicht ohne weiteres als Verfassungsstreitigkeiten anzusprechen 
sind.16) Verfassungsstreitigkeiten können allerdings aus ihnen 
sich entwickeln, wenn z. B. die Volksvertretung sich bereit 
findet, die Rechte des Verletzten wahrzunehmen und durch- 
zufechten. In letzterem Falle wird als selbstverständlich vor- 
ausgesetzt, dass die Beschwerde im übrigen den Voraus- 
stetzungen einer Verfassungsstreitigkeit entspricht. 
  
18) Haenel, Staatsrecht S. 568. 
14) Verhandlungen des verfassungsberatenden Reichstages S. 658 ff. 
15) „Auch Beschwerden Dritter, dass die Verfassung verletzt oder un- 
gültig sei, begründen nicht ohne weiteres eine Verfassungstreitigkeit im 
Sinne des Gesetzes” (Arndt, Kommentar $. 321.)
	        
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