Nro. IV. Edikt uͤber die Rechts-Pflege in den untern.
Instanzen.
Wilhelm,
vdon Gottes Gnaden
König von Württemberg.
S. Unserem Regierungs-Antritt ist es eine Unserer angelegensten Sorgen gewesen,
die Gebrechen der Rechts-Pflege in erster Instanz, welche der Gegenstand so allgemeiner
Beschwerden sind, gründlich untersuchen zu lassen. Durch diese Untersuchung haben sich
als Haupt= Ursachen jener Gebrechen ergeben, daß die Befugnisse der Orts-Obrigkeiten in
neuern Zeiten zu sehr beschränkt wurden; daß bisher an der Spitze der Rechts-Verwaltung
für die Oberamts-Bezirke ein Beamter stand, welcher zugleich mit einer Menge ganz
fremdartiger Geschäfte beladen war; daß bey allen bürgerlichen Rechts-Streitigkeiten schon
nach der Maxime des bisherigen Verfahrens der Richter in der Regel nur in der Maaße
sich thätig zeigen konnte, wie er von den Partepen dazu aufgefordert ward; daß
besonders das Beweis-Verfahren äusserst gedehnt, und selbst mit zweckwidrigen Förmlich-
keiten begleitet war; daß ferner in allen etwas bedeutenden Fällen, und zwar nicht blos
in Ansehung der Hauptsache, sondern sogar in Bezlehung auf alle Iwischen-Streit-Punkte,
die Instruktion des Prozesses von der Entscheidung getrennt, und letztere den im Jahr
16 11 errichteten drey Provinzial-Justiz-Colleglen übertragen war; ja daß eine und eben-
dieselbe Rechts-Sache mehrmals nicht blos an diese, sondern dann noch durch Appellation
auch an den höhern Richter gebracht werden konnte; daß endlich die General= und die
Special-Untersuchung der Verbrechen in verschiedene Hände gegeben, und für lettere beson-
dere Eriminal-Aemter bestellt wurden.
Wir haben daher nach Anhörung Unseres Geheimen Rathe beschlossen, daß
7) nicht nur die bisherigen Befugnisse der Orts-Obrigkeiten in Ansehung der Rechts-
Pllege in streitigen und nichtstreitigen Rechts-Sachen erhalten, sondern daf diesel-
ben auch in Absicht auf streitige Rechts-Sachen erweitert werden sollen; daß