12 I. 1. Deutschland nach dem Westphälischen Frieden.
hundert sollte das zertretene Deutschthum der Südostmarken wieder die
Kraft finden allen Arbeiten der modernen deutschen Cultur mit leben-
digem Verständniß zu folgen.
Dergestalt hat die Politik der katholischen Glaubenseinheit die Donau-
lande auf lange hinaus unserem Volke entfremdet. Sie zerspaltete das
alte Reich, sie schuf den vielbeklagten deutschen Dualismus; so lange die
Deutschen sich nicht selber aufgaben, durften sie auch den Widerstand
gegen die Fremdherrschaft der Habsburger nicht aufgeben. Das Haus
Oesterreich war im Verlaufe der Jahrhunderte mit der römischen Kaiser-
krone so fest verwachsen, daß die Volksmeinung beide kaum noch zu
trennen wußte; der einzige Nicht-Oesterreicher, der während dieser letzten
Jahrhunderte den deutschen Thron bestieg, Karl VII., erschien den Zeit-
genossen wie ein Gegenkaiser. Eine tiefe innere Verwandtschaft verband
das entdeutschte Kaiserthum mit seinem alten Gegner, dem heiligen Stuhle.
Die Wiener Politik zeigt wie die römische jenen Charakterzug heuchlerischer
Salbung, welcher die Theokratie zur unsittlichsten aller Staatsformen
macht. In Wien wie in Rom die gleiche Unfähigkeit, das Recht des
Gegners zu verstehen. Alle Habsburger, die heitere Liebenswürdigkeit
Maria Theresia's so gut wie der stumpfsinnige Hochmuth Leopold's I.,
ertragen die Schläge des Schicksals in dem zuversichtlichen Glauben, daß
ihr Haus dem Herzen Gottes am nächsten stehe, und nur böse, gottlose
Menschen das fromme Erzhaus zu bekämpfen wagen. Hier wie dort die-
selbe starre Unbeweglichkeit in allen Stürmen der Jahrhunderte: jeder
schmähliche Friede, den die lebendigen Mächte der Geschichte dem alten
Kaiserhause auferlegen, wird von den Habsburgern unterzeichnet mit dem
stillen Vorbehalt, daß zur rechten Stunde die unveräußerlichen Rechte
kaiserlicher Vollgewalt wieder in Kraft treten sollen. Hier wie dort die-
selbe Dreistigkeit theokratischer Mythenbildung und Rechtsverdrehung.
Indem Maria Theresia sich wider den rechtmäßigen Kaiser Karl VII.
empört, trägt sie selber die sittliche Entrüstung der beleidigten kaiserlichen
Majestät zur Schau; als König Friedrich sodann ihrem drohenden An-
griffe zuvor kommt, da schwingt ihr Gemahl, der als schlichter Privatmann
an ihrem Hofe lebt, das kaiserliche Scepter und verurtheilt den Feind
der Königin von Ungarn als Rebellen gegen Kaiser und Reich; unbe-
fangen, als verstände sich's von selber, nimmt nachher das kleine Haus
Lothringen alle die herrischen Ansprüche des alten Kaisergeschlechtes wieder
auf, und wie die Päpste von dem Throne des Apostelfürsten fabeln, so
gebärden sich die Lothringer, als seien die Habsburger niemals ausge-
storben. In Wien wie in Rom derselbe hoffärtig träge Kaltsinn gegen
das Wohl des eigenen Volkes: sobald die Glaubenseinheit fest begründet
und der schweigende Gehorsam der Unterthanen gesichert ist, wird die
gesammte Macht Oesterreichs nach außen gewendet. Alles Leben des
Staates geht in der europäischen Politik auf, im Innern wird gar nicht