Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

240 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. 
die Hansestädte verhielten sich ablehnend, obgleich ihnen der Norddeutsche 
Bund schonend nur eine Geldzahlung statt der Kriegsleistungen zumuthete; 
sie beriethen insgeheim über die Bildung eines hanseatischen Sonderbundes. 
Als sodann die Kriegsgefahr näher rückte und Preußen von seinen kleinen 
Schützlingen einen Beitrag zu den Verpflegungskosten der Armee ver— 
langte, da bekundete der Schweriner Hof die patriotischen Gefühle des 
deutschen Kleinfürstenstandes in der unvergeßlichen Erklärung: so dankbar 
des Herzogs Durchlaucht den Allerhöchsten königlichen Schutz benutzen 
würde, wenn Sie Sich in Gefahr glaubten, so dringend müßten Sie 
unter den gegenwärtigen Umständen eine Beitragsleistung Sich verbitten. 
Der aufrichtige Schweriner Herr gab freilich sofort nach, als Preußen 
ihn an „die National-Ehre des zertretenen Vaterlandes“ erinnerte und 
mit dem Einmarsch seiner Truppen bedrohte. Indeß der ganze Verlauf 
der schleppenden Unterhandlungen lehrte, daß ein fester Bund mit diesen 
Höfen nicht anders als durch den Zwang der Waffen begründet werden 
konnte. 
Das Widerstreben der kleinen Staaten fand seinen Rückhalt in Paris; 
durch Napoleon's Treulosigkeit wurde der Norddeutsche Bund schon im 
Werden zerstört. Am 22. Juli hatte Talleyrand selbst den Berliner Hof 
aufgefordert, er möge Vortheil ziehen aus der Stiftung des Rheinbundes 
und sich ein norddeutsches Kaiserthum gründen. Die freundliche Einladung 
bezweckte selbstverständlich nur, Preußens Zustimmung zu der Auflösung 
des alten Reichs zu gewinnen. War doch der Rheinbund von Haus 
aus, wie der Schluß-Artikel seiner Verfassung deutlich aussprach, auf den 
Eintritt aller deutschen Kleinstaaten berechnet; kaum abgeschlossen ward er 
schon erweitert durch die Aufnahme des neuen Großherzogs von Würz- 
burg. Im nämlichen Augenblicke, da Napoleon seinem Verbündeten die 
norddeutsche Kaiserkrone antrug, warnte er die Höfe von Dresden und 
Cassel vor dem preußischen Bündniß und ermuthigte iusgeheim die groß- 
sächsischen Pläne wie die Sonderbundsversuche der Hanseaten. Am 13. Au- 
gust trat er noch weiter aus dem Dunkel heraus, ließ durch Dalberg den 
beiden Kurfürsten seinen Schutz gegen Preußens Mißwollen zusichern, 
falls sie dem Rheinbunde beitreten wollten; und vier Wochen darauf erklärte 
er dem Fürsten-Primas rundweg: er habe die volle Souveränität aller 
deutschen Fürsten anerkannt und werde keinen Oberherrn über ihnen dul- 
den. Nirgends hinterließen diese französischen Umtriebe tieferen Eindruck 
als am Dresdner Hofe; sobald das Kriegswetter heraufzog, versuchte der 
geängstete Kurfürst ein ähnliches Doppelspiel zwischen Preußen und Frank- 
reich, wie es Baiern ein Jahr zuvor zwischen Frankreich und Oesterreich 
durchgeführt hatte. Zu furchtsam und zu ehrlich um dem Nachbarn die 
Bundeshilfe zu versagen, dachte er sich doch für alle Fälle sicherzustellen 
und bat um plötzlichen Einmarsch der preußischen Truppen, weil er vor 
Napoleon als ein unfreiwilliger Bundesgenosse Preußens erscheinen wollte.
	        
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