Krieg von 1806. 245
eine kaiserliche Botschaft, wie Napoleon sich verpflichtet fühle das überfallene
Sachsen vor dem Ehrgeiz eines ungerechten Nachbars zu sichern, und nach
Ausbruch des Krieges verkündete ein Manifest „den Völkern Sachsens“:
Frankreich komme sie zu befreien. Die Franzosen, so viele in dem abge-
stumpften Geschlechte sich noch um politische Fragen kümmerten, stimmten
ihrem Herrscher freudig bei; galt doch die Beschützung der deutschen Klein-
staaterei allgemein als die Aufgabe der nationalen Politik, seit Heinrich II.
sich zuerst zum ewigen Defensor deutscher Libertät aufgeworfen hatte. Ebenso
bereitwillig folgten die Fürsten des Rheinbundes dem Schirmherrn des
deutschen Particularismus; Friedrich von Württemberg tobte im Zorne der
beleidigten Majestät, als der Herzog von Braunschweig ihn an das gemein-
same Vaterland und an die Pflichten deutscher Fürsten mahnte. Die süd-
deutschen Offiziere frohlockten bei dem Gedanken endlich einmal diesen über-
müthigen Preußen die Schande von Roßbach und von Leuthen zu vergelten;
die Landsknechtsroheit der bairischen und württembergischen Soldaten
hauste in den preußischen Quartieren noch ärger als die Franzosen selbst.
Wohl war es ein heiliger Krieg; erst durch ihn und sein schreckliches
Mißlingen wurde die alte Ordnung des deutschen Lebens völlig vernichtet.
Was dort in Regensburg zusammenstürzte war ein leerer Schatten; was
aber auf den Schlachtfeldern Thüringens und Ostpreußens zertrümmert
wurde, das war der lebendige deutsche Staat, der einzige, der dem poli-
tischen Dasein dieses Volkes einen Inhalt und ein Ziel gegeben hatte.
Ihn traf das Verderben, als er nach langer Verirrung sich wieder auf
sich selbst besann, den Kampf aufnahm wider die Zwingherrschaft der
Fremden und die Felonie der heimischen Fürsten. Nichts konnte ehrlicher
sein als der schonungslos aufrichtige Absagebrief des Königs an Napoleon;
nichts berechtigter als die drei Forderungen des preußischen Ultimatums
vom 1. October: Abzug der Franzosen aus Deutschland, Anerkennung des
Norddeutschen Bundes, friedliche Verständigung über die andern zwischen
den beiden Mächten noch schwebenden Streitfragen. Selbst aus dem weit-
läufigen ungeschickten Kriegsmanifeste brach doch zuweilen ein Ton wür-
digen nationalen Stolzes hervor: der König ergreift die Waffen „um
das unglückliche Deutschland von dem Joche, worunter es erliegt, zu be-
freien; vor allen Tractaten haben die Nationen ihre Rechtel“"
Im Volke wie im Heere regte sich noch kaum eine Ahnung von dem
großen Sinne des Krieges. Wie ein Prediger in der Wüste stand Schleier-
macher auf der Kanzel der Ulrichskirche zu Halle und deutete den Verblen-
deten die Zeichen der Zeit: „unser Aller Leben ist eingewurzelt in deutscher
Freiheit und deutscher Gesinnung; und diese gilt es!“ Auch Fichte blieb noch
einsam, von Wenigen verstanden. Sobald der Ernst des Kampfes an Preußen
herantrat, erwachte in dem tapferen Manne die lebendige Staatsgesinnung;
alle seine weltbürgerlichen Träume warf er entschlossen hinter sich, und mit
flammenden Worten pries er den Beruf des vaterländischen Kriegers: „was