Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Gneisenau. Schlacht von Friedland. 263 
mal etwas despotisch, kassirte feigherzige Offiziere, lebte fröhlich mit den 
Braven, kümmerte mich nicht um die Zukunft und ließ brav donnern.“ 
Die feindlichen Generale bemerkten mit Erstaunen, wie hier ein genialer 
Wille eine neue, der französischen ebenbürtige Kriegsweise anwendete: der 
Vertheidiger wechselte die Rollen mit dem Angreifer, beunruhigte die Be— 
lagerer durch überraschende Ausfälle, warf Erdwerke im freien Felde auf, 
die den Feind wochenlang von den Wällen der Festung fern hielten. Auch 
die alte hochgemuthe Liederlust des deutschen Soldaten, die sonst in diesem 
düsteren Kriege gänzlich schwieg, regte sich hier zuerst wieder; neckend 
klang es von den unbezwungenen Wällen: „wir haben Kanonen, wir 
haben kein Bang; marschirt nur nach Hause und wartet nicht lang!“ 
Zugleich führte der tapfere Husar Schill in der Nähe von Colberg einen 
abenteuerlichen Parteigängerkrieg, und Gneisenau vernahm mit neidloser 
Freude, wie die Masse den wackeren beschränkten Mann als den Helden des 
Vaterlandes pries: ihm war es recht, wenn nur die gedrückte Seele dieses 
Volkes sich wieder hoffend emporhob, gleichviel an wessen Bilde. In Vor— 
pommern sammelte Marwitz ein Freicorps, zur Befreiung des deutschen 
Vaterlandes, wie der tapfere Junker seinen Leuten sagte; in Westphalen ver— 
suchte der treue Vincke einen Aufstand anzuzetteln. Blücher aber schickte 
sich an, mit einem kleinen preußischen Corps, mit schwedischen Hilfs— 
truppen und einer englischen Landungsarmee, die auf Rügen erwartet 
wurde, eine Diversion im Rücken Napoleon's zu unternehmen. Dem 
Imperator wurde das zähe preußische Wesen täglich verhaßter. In über— 
strömendem Zorne nannte er Schill einen Räuber, ließ in seinen Zei— 
tungen den König verhöhnen als einen Einfältigen, der neben Alexander 
kaum so viel gelte wie ein Adjutant; er war entschlossen den unbequemen 
Staat, den er nie mehr versöhnen konnte, gänzlich zu vernichten. 
Da fiel die Entscheidung in Ostpreußen. Der allgemeine Unwille 
über den Fall von Danzig nöthigte den russischen Oberbefehlshaber, im 
Juni endlich wieder seine Armee in Bewegung zu setzen. Ein Angriff 
der Franzosen wurde bei Heilsberg glücklich zurückgewiesen. Als aber 
Napoleon nunmehr die Alle abwärts zog um die Russen zu umgehen, da 
unternahm Bennigsen, ohne Kenntniß der Stärke des Feindes, einen un— 
bedachten Vorstoß gegen die französischen Marschcolonnen und erlitt bei 
Friedland am 14. Juni eine vollständige Niederlage. Am Jahrestage 
von Marengo ging der preußische Krieg zu Ende, denn nach diesem einen 
Schlage brach Alexander's Muth ebenso plötzlich zusammen wie vordem 
nach der Austerlitzer Schlacht. Noch war sein Land vom Feinde unbe- 
rührt, aber er fürchtete einen Aufstand im russischen Polen; sein Bruder 
Konstantin und die große Mehrzahl der Generale verwünschten laut diesen 
Krieg für fremde Zwecke, auch Stadion hatte schon früher den russischen. 
Gesandten gefragt, warum sich der Czar für Preußen opfern wolle. Der 
Unbeständige meinte der Großmuth genug gethan zu haben; ohne den König,
	        
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