266 I. 2. Revolution und Fremdherrschaft.
horsam gegen Frankreich als seine erste Fürstenpflicht zu betrachten habe;
eine „regelmäßige Verfassung"“ sollte hier alle „jene leeren und lächerlichen
Unterschiede“ der Stände und Landschaften beseitigen, welche der bureau-
kratischen Centralisation des Weltreichs gefährlich schienen.
An den Höfen des Rheinbundes herrschte lauter Jubel, da der einzige
deutsche Staat, der eine Geschichte, ein eigenes Leben besaß, also wieder
hinabgestoßen wurde in das allgemeine deutsche Elend. Die Mittelstaaten
standen am Ziele ihrer Wünsche, sie hatten keine deutsche Macht mehr zu
fürchten und zu beneiden. Ihre Offiziere prahlten gern, wie wacker sie
selber mit geholfen hätten bei der Demüthigung des norddeutschen Ueber-
muths, wußten nicht genug zu erzählen von den Wundern der preu-
ßischen Dummheit. Hörte man auf die Stimmen der amtlichen Presse
in München und Stuttgart, so war die Schlacht von Jena die einzige
denkwürdige Waffenthat der preußischen Kriegsgeschichte. Diesem ver-
kleinerten Preußen war der Rheinbund an Flächengehalt zweifach, an
Bevölkerung dreifach überlegen, schon Baiern allein durfte sich jetzt dem
Staate Friedrich's ebenbürtig dünken, da dies Kernland des Rheinbundes
nur etwa eine Million Köpfe weniger zählte und unvergleichlich wohl-
habender war. Die Spaßvögel in Dresden und Leipzig beschauten ergötzt
das englische Spottbild, das die Zusammenkunft auf dem Floße zu Tilsit
darstellte: wie der prahlerische kleine „Bony“ den jungen Czaren so stürmisch
umarmte, daß das Floß in's Wanken gerieth und der zuschauende Friedrich
Wilhelm jämmerlich in's Wasser fiel.
Der neue König von Sachsen aber wurde der unterthänigste aller Rhein-
bundsfürsten. Der schwerfällige, peinlich gewissenhafte Mann war grau ge-
worden in den Traditionen des alten Reichsrechts, in den steifen Formen
einer spanischen Etikette; er allein unter den größeren Reichsfürsten hatte
nicht theilgenommen an dem großen Beutezuge gegen die geistlichen Staaten
— was ihm freilich leicht fiel, da er keine Entschädigungen zu fordern
hatte. Noch im vergangenen Herbst entschloß er sich nur schwer dem sieg-
reichen Plebejer seine Huldigung darzubringen; da er endlich in Berlin
eintraf, fand er den Imperator nicht mehr vor und fragte rathlos den
hilfsbereiten Gagern: wie lebt man eigentlich mit diesem Menschen? Doch
als nachher der Verrath an Preußen mit reichen Geschenken belohnt wurde,
als Napoleon auf der Heimkehr selbst in Dresden erschien und gegen-
über der rasch durchschauten Beschränktheit die Miene des wohlwollenden
Gönners annahm, da wurde der schwache Fürst durch die Cäsarengröße
des Protectors völlig geblendet, baute mit abergläubischer Zuversicht auf
den Stern seines „großen Alliirten“. Ehrgeizige junge Männer traten an
die Spitze der Armee, wider allen Brauch dieses langsamen Staatswesens,
und erfüllten die tapfere Truppe, die nur widerwillig zu den Franzosen
übergetreten war, bald mit der gewissenlosen Wagelust rheinbündischer
Landsknechte; das rothe Band der Ehrenlegion wurde hier wie in Baiern