308 I. 3. Preußens Erhebung.
Entsetzlich freilich, wie der rohe Naturalist, immer dem wahren
Deutschthum zu Ehren, die zarten Blätter und Blüthen unserer Sprache
zwischen seinen harten Fäusten knetete. Alles wollte er ihr wieder rauben
was sie sich redlich erworben hatte im Gedankenaustausch mit anderen
Völkern. Dabei widerfuhr ihm zuweilen, daß er ein neues urdeutsches
Wort aus romanischer Wurzel bildete — so sein geliebtes Turnen selbst;
aber da er wie Luther den Bauern und den Kindern auf das Maul sah,
so gelang ihm auch mancher glückliche Griff: das gute Wort Volksthum
wurde von ihm erfunden. Und so übermächtig war noch der idealistische
Schwung der Zeit, daß selbst dieser Eulenspiegel die eigentliche Größe
seiner Nation in ihrem geistigen Schaffen suchte; er pries die Griechen
und die Deutschen als der Menschheit heilige Völker und nannte Goethe
den deutschesten der Dichter. In den gewaltigen Kämpfen zwischen
Oesterreich und Preußen wollte er, ebenso harmlos wie mancher Größere
unter den Zeitgenossen, nichts weiter sehen als die Balgereien von zwei
kräftigen Jungen, die in ihrem Uebermuthe sich raufen und endlich zur
Vernunft gekommen sich vertragen. Doch behielt er Mutterwitz genug
um den tiefen Unterschied zwischen den beiden Mächten zu erkennen; der
große Völkermang Oesterreich könne niemals ganz verdeutscht werden,
von Preußen sei die Verjüngung des alten Reiches ausgegangen, und
nur dieser Staat werde die Deutschen wieder zu einem Großvolke er-
heben. Hinweg mit dem deutschen Staatskrebs, der kindischen Landsmann-
schaftssucht, der Völkleinerei; eine oberste Gewalt im Reiche, eine Haupt-
stadt, Einheit der Zölle, der Münzen und Maße; dazu Reichstage und
Landtage und eine mächtige Landwehr aus allen Waffenfähigen gebildet,
denn unter Germanen gilt der Grundsatz: wehrlos, ehrlos!
Solche Gedanken in die Welt hinausgerufen mit einer berserker-
haften Zuversicht, als könne es gar nicht anders sein, und von der
Jugend mit jubelnder Begeisterung aufgegriffen — und dies in einem
Augenblicke, da Preußen wenig mehr als vier Millionen Köpfe zählte
und Niemand auch nur nachgedacht hatte über die Frage, wie man den
österreichischen Völkermang mit dem reinen Deutschland unter einen Hut
bringen könne! Wie schwer mußten diese stolzen Träume dereinst zu-
sammenstoßen mit der harten Wirklichkeit der particularistischen Staats-
gewalten! Gelang selbst die Befreiung von der Herrschaft des Auslandes,
eine grausame Euttäuschung, eine lange Zeit erbitterter bürgerlicher Kämpfe
stand diesem hoffenden Geschlechte unausbleiblich bevor.
Nicht allein die Publicistik, sondern die gesammte Literatur wurde
jetzt von der nationalen Leidenschaft ergriffen. Dem jungen Nachwuchs
der Romantiker stellte Achim von Arnim die Aufgabe: die frische Morgen-
luft altdeutschen Wandels zu athmen, sich andächtig zu vertiefen in die
Herrlichkeit der alten heimischen Sagen und Geschichte, damit wir erkennen
wie wir geworden und mit neuem Selbstvertrauen in der Gegenwart