Das preußisch-französische Bündniß. 391
über; der Commandant der Artillerie der großen Armee erhielt geheimen
Befehl, die Belagerungsparks für Spandau, Kolberg und Graudenz be—
reit zu halten. Der König war verloren wenn er nicht unterschrieb.
So kam der Bundesvertrag vom 24. Febr. 1812 zu Stande. Preußen
stellte ein Hilfskorps von 20,000 Mann, die Hälfte seines Heeres ver—
schwand als siebenundzwanzigste Division in den Massen der großen Armee;
was übrig blieb genügte kaum die Festungen zu besetzen, da der König
sich ausdrücklich verpflichten mußte, den Bestand seiner Truppen nicht zu
vermehren. Das ganze Land, außer Oberschlesien und Breslau, stand
den Heersäulen Napoleon's zum Durchmarsch offen und hatte für ihren
Unterhalt zu sorgen. Und für alle diese neuen Opfer nur das Ver-
sprechen, daß die Verpflegungskosten späterhin vergütet und der rückstän-
dige Rest der Contribution darauf angerechnet werden sollte! Die besetzten
Festungen blieben nach wie vor in Napoleon's Händen; selbst die Haupt-
stadt mußte den Franzosen eingeräumt werden, da Napoleon einen Auf-
stand des Berliner Pöbels fürchtete. Nur Potsdam blieb frei; dort hauste
jetzt der König, von wenigen hundert Mann seiner Garde umgeben, doch
ließ er sich nicht abhalten, zuweilen in Berlin mitten unter den Truppen
Napoleon's zu erscheinen. In einem verzweifelten Briefe zeigte Friedrich
Wilhelm dem russischen Freunde seinen Entschluß an: da Rußland jede
thätige und schnelle Hilfe verweigere, so dürfe er nur noch an die Ret-
tung seiner Monarchie denken; er bleibe jedoch im Herzen der Freund
und Bundesgenosse Alexander's und hoffe, sie würden Beide den Krieg
in diesem Sinne führen. Gleich darauf schloß sich auch Oesterreich den
Franzosen an, freiwillig und unter weit günstigeren Bedingungen: ihm
wurde die Wiedererwerbung der illyrischen Provinzen in Aussicht gestellt,
falls Galizien mit dem wiederhergestellten Polen vereinigt werden sollte.
Also war der gesammte Continent zum Kriege gegen das Czarenreich
verbunden, und verheerend ergoß sich die große Armee über Preußens
Gesilde — an 650,000 Mann, das gewaltigste Heer, das die Welt seit
den Tagen des Terxes gesehen. Die beste Kraft der europäischen Jugend
vom Ebro bis zur Elbe, von Tarent bis zur Nordsee stand in Waffen.
Keine Rede mehr von den Verträgen. Wider die Abrede wurden auch
Pillau und Spandau — die Citadelle Berlins, wie Napoleon sagte —
von den Franzosen besetzt. Was man irgend noch im Jahre 1807 zu
rauben vergessen hatte oder was von Kriegsvorräthen neu angeschafft war
in diesen vier Jahren, fiel jetzt den durchziehenden Freunden in die Hände.
Preußen verlor durch den Marsch der großen Armee noch mindestens
146 Mill. Fr. über den schuldigen Rest der Contribution hinaus") —
*) Nach der Rechnung des Finanzministeriums, die in Paris am 17. Mai 1814
übergeben wurde. Der Ansatz ist aber unzweifelhaft viel zu niedrig. Dem zweiten
Pariser Friedenscongresse überreichte Hardenberg im Septbr. 1815 eine andere Rech-
nung, wornach Preußen 94 Mill. Fr. über den Rest der Contribution hinaus gezahlt