392 I. 3. Preußens Erhebung.
eine Summe, die niemals vergütet wurde. Es war Napoleon's Absicht,
den gefährlichen Bundesgenossen in seinem Rücken gänzlich unschädlich zu
machen; nöthigenfalls konnte ein Handstreich auf Potsdam die Person
des Königs in seine Gewalt bringen.
Entsetzlich, niederschmetternd war der Eindruck dieser Ereignisse in
dem Kreise der preußischen Patrioten. Je höher im vorigen Sommer
ihre Hoffnungen sich erhoben hatten, um so stürmischer wallte nun die
Entrüstung auf. Die Urheber der Rüstungen von 1811 konnten nach
dem vollzogenen Systemwechsel selbstverständlich nicht mehr in ihren Stel-
len verbleiben. Blücher war schon im Herbst, auf Napoleon's dringendes
Verlangen, seines Commandos enthoben worden, von dem Monarchen
mit herzlichen Worten getröstet. Jetzt wurde auch Scharnhorst entlassen,
behielt aber das Vertrauen des Königs nach wie vor. Gneisenau erhielt
scheinbar den Abschied und reiste mit geheimen Aufträgen nach Oester-
reich, Rußland, Schweden und England. Boyen und Clausewitz gingen
nach Rußland. Der Letztere richtete zum Abschied noch eine feurige
Mahnung für die Zukunft an seinen Schüler, den jungen Kronprinzen
und legte das Programm der Kriegspartei nieder in seinen „Bekennt-
nissen“ — einer classischen Denkschrift, die noch heute jedes deutsche Herz
erzittern macht. Noch einmal versuchte er, stolz und groß, mit hinreißenden
Worten, den Nachweis zu führen: es müsse möglich sein in diesem miß-
handelten Lande 750,000 Mann auf die Beine zu bringen, wenn man
nur aller falschen Klugheit abschwöre und die dumpfe Erwartung der
ungewissen Zukunft aufgebe. Niemals ist ein hochherziger Irrthum schöner
und würdiger vertheidigt worden.
Von den anderen Offizieren waren einzelne, wie der feurige hoch-
gemuthe Graf Chasot, schon während der Wirren von 1809 ausgetreten;
ihnen bot jetzt der Czar in seiner neu gebildeten Deutschen Legion eine
Freistatt. Andere Tapfere, wie Grolman, Oppen, die Gebrüder Hirsch-
feld, fochten in Spanien; sie dachten wie Gneisenau: „Die Welt scheidet
sich in Feinde und Freunde Bonaparte's, auf das Gebiet der Länder
kommt es dabei weniger an als auf das der Grundsätze.“ Die unge-
heure Mehrzahl des Offizierscorps aber gab ihrem Kriegsherrn einen
Beweis deutscher Treue, der schwerer wog als manche glänzende That
des Kriegsmuthes. Kein Mann in diesen Reihen, der den Krieg für
Napoleon nicht verwünschte: und doch sind nur einundzwanzig active
Offiziere, darunter nur drei Stabsoffiziere, in Folge der französischen
Allianz freiwillig ausgeschieden um zumeist in die deutsch-russische Legion
einzutreten.) Die Anderen bezwangen ihren heißen Haß, und sie sollten
dereinst noch Größeres vollbringen als jene Ungeduldigen. Es stand
und außerdem noch durch den Durchmarsch der großen Armee einen Schaden von
309 Mill. Fr. erlitten hatte.
*) Nachgewiesen von Max Lehmann, Knesebeck und Schön. S. 57.