Napoleon's Pläne. 411
die rheinbündischen Diplomaten, er wußte, daß jene gefährlichen deutschen
Aufrührer nirgends mächtiger waren als in Preußen, und doch wollte er
nicht eingestehen, daß diese verhaßte Macht ihm je bedrohlich werden könne.
Geflissentlich trug er seine Verachtung gegen Preußen zur Schau, als
wollte er seine geheimen Sorgen übertäuben: „die Preußen sind keine
Nation, sie haben keinen nationalen Stolz, sie sind die Gascogner von
Deutschland!“ Die einfachste Klugheit gebot ihm den Bundesvertrag von
1812 gewissenhaft zu halten, der Krone Preußen keinen Vorwand zum
Verlassen der erzwungenen Allianz zu bieten. Doch auf seiner einsamen
Höhe hielt er es nicht mehr der Mühe werth nach den Empfindungen
derer, die sein Fuß zertrat, zu fragen. Auf alle Mahnungen der preu—
ßischen Unterhändler antwortete er mit leeren Reden, nicht einmal eine
Prüfung ihrer Rechnungen konnten sie erreichen; und gleichzeitig erging
an die Befehlshaber der Oderfestungen der vertragswidrige Befehl, daß
sie sich Alles, was sie brauchten durch Requisitionen verschaffen sollten.
Also that der Imperator genau was Friedrich Wilhelm's Gewissenhaftigkeit
insgeheim wünschte; er setzte sich in's Unrecht, er selber zerriß das Bündniß,
und der König war nach Völkerrecht unzweifelhaft befugt sich loszusagen
von einem Vertrage, dessen Satzungen sammt und sonders von dem an—
deren Theile mißachtet wurden.
Auf Knesebeck's Sendung baute Hardenberg stolze Hoffnungen. Wäh—
rend der König den Czaren im Herzen für seinen nächsten Freund an—
sah, erstrebte der Staatskanzler seit Jahren zunächst ein Bündniß der
drei „deutschen“ Großmächte — denn auch England wurde wegen Han—
nover noch zu den deutschen Mächten gerechnet. Seine hochgespannten Er—
wartungen sollten gründlich getäuscht werden. Der sofortige Eintritt des
Kaiserstaates in ein Kriegsbündniß war schon deshalb ganz außer Frage,
weil Napoleon in solchem Falle sicher wieder die wohlbekannte Sieges-
straße der Donau entlang eingeschlagen und, bei dem elenden Zustande
der Armee und der Finanzen Oesterreichs, rasch seinen dritten Einzug
in die Kaiserstadt gehalten hätte. Eben dies wollte Kaiser Franz um
jeden Preis verhindern. Von Natur friedfertig, ein Freund der sanften
Mittel und der kleinen Ränke fand Graf Metternich die Lage der Welt
durchaus nicht reif für eine große Entscheidung. Wie sollte ein durch—
schlagender Erfolg erfochten werden — so äußerte sich Gentz — da alle
Mächte des Festlandes tief ermattet seien und auch Englands Kräfte
durch die Subsidienzahlungen für einen europäischen Krieg leicht erschöpft
werden könnten? Dazu die natürliche Angst vor der nationalen Leiden—
schaft der norddeutschen Patrioten. In Wien — dieser Ruhm wird der
Nüchternheit der österreichischen Staatskunst verbleiben — in Wien ist
seit den Tagen des Großen Kurfürsten bis zum Jahre 1866 nicht einen
Augenblick der gutmüthige Wahn gehegt worden, als ob die Verstärkung
des norddeutschen Nebenbuhlers im Interesse Oesterreichs liege. Wenn