Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Scharnhorst's Tod. 459 
Brust verbergen und schrieb an seine Tochter — nur für sie, damit sie 
wisse, „wie Dein Vater dachte, wenn ich einst nicht mehr da sein sollte: 
An Distinctionen ist mir nichts gelegen. Da ich die nicht erhalte, welche 
ich verdiene, so ist mir jede andere eine Beleidigung, und ich würde mich 
verachten wenn ich anders dächte. Alle Orden und mein Leben gäbe ich 
für das Commando eines Tages!“ Es sollte nicht sein. Am 28. Juni 
erlag er seiner Wunde; seine letzten Worte weissagten den Deutschen die 
Freiheit. Tragischer hat Keiner geendet von den schöpferischen Geistern 
unserer Geschichte. Ohne Scharnhorst kein Leipzig, kein Belle Alliance, 
kein Sedan, und der die Saat so vieler Siege streute sollte selber Preußens 
Fahnen niemals glücklich sehen! Erschütternd trat das große Räthsel des 
Menschenschicksals den Ueberlebenden vor die Seele; immer wieder, wenn 
sie dieses Toden gedachten, überkam sie die Ahnung, daß unser Leben nicht 
abschließt mit dem letzten Athemzuge. Wie oft hat Blücher nach erfoch— 
tenem Siege in feuriger Rede den Schatten seines Scharnhorst angerufen, 
er solle niederschauen auf die Vollendung seines Werkes! Dem Dichter 
aber erschien der Gefallene wie ein Siegesbote, den die befreiten Germanen 
ihren Ahnen nach Walhalla sendeten: 
„Nur ein Held darf Helden Botschaft tragen. 
Darum muß Germaniens bester Mann, 
Scharnhorst muß die Botschaft tragen: 
Unser Joch das wollen wir zerschlagen, 
Und der Rache Tag bricht an! 
So viel Ehre die Schlacht von Großgörschen den jungen preußischen 
Truppen brachte, sie war doch eine Niederlage, verhängnißvoll durch ihre 
politischen Folgen. Der Ruf der napoleonischen Unüberwindlichkeit stand 
nunmehr wieder aufrecht; kein Gedanke mehr an einen Abfall der rhein- 
bündischen Höfe. Friedrich August von Sachsen war soeben erst, am 
20. April, durch einen geheimen Vertrag zu Oesterreich und der Politik 
der bewaffneten Vermittlung übergetreten. Auf die Nachricht von Napo- 
leon's Siege kehrte er sofort, noch bevor eine drohende Mahnung des 
Protectors ihn ereilte, wieder zu den Fahnen zurück, denen sein Herz 
immer angehangen; hatte er doch schon vor Wochen seinen Obersten Ode- 
leben in das französische Hauptquartier gesendet um dem Imperator als 
Führer durch Thüringen zu dienen! Senfft, der Vertreter der Neutra- 
litätspolitik, ward entlassen, die Armee und das Land dem Großen Alliirten 
zur Verfügung gestellt. General Thielmann erhielt Befehl, Torgau den 
Franzosen zu öffnen und trat, da seine Truppen den Weisungen ihres 
Königs unbedingt gehorchten, allein zu den Verbündeten über, nur begleitet 
von dem genialen Aster, dem deutschen Vauban. Der Besitz der sächsischen 
Festungen erlaubte den Franzosen den Krieg um Monate zu verlängern. 
Ein hartes Strafgericht erging über die treuen Preußen in Cottbus, die im 
März, als Blücher's Heer einzog, sich sofort jubelnd der deutschen Sache
	        
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