Waffenstillstand von Pläswitz. 463
seiner rechten Flanke standen. Wie gern hat der greise preußische Held
noch in späteren Tagen dieses ersten fröhlichen Empfanges gedacht, den
er dem Feinde auf preußischem Boden bereitet; zum ersten male in diesem
Feldzuge lächelte ihm das Glück, und seiner Lieblingswaffe allein verdankte
er den schönen Erfolg. Zuversichtlich wie er sah das gesammte preußische
Heer neuen Schlachten entgegen; in allen den hartnäckigen Kämpfen dieses
Rückzugs zeigte der deutsche Soldat eine unverwüstliche Freudigkeit und
Frische. Mehr als zwanzig Gefechte und zwei große Schlachten waren
geschlagen, fünfzig Kanonen und viele Gefangene den Franzosen abge—
nommen, Napoleon aber hatte keine einzige Trophäe in seinen Händen.
Anders war die Stimmung im russischen Lager. Die von Haus aus
mäßige Kriegslust der Generale erlahmte gänzlich seit sie sich wieder in
die äußerste Ostecke Deutschlands zurückgedrängt sahen; abermals wie vor
sechs Jahren vernahm man die unmuthige Frage: wozu uns opfern für
fremde Zwecke? Barclay de Tolly, der unterdessen den Oberbefehl über-
nommen, erklärte bestimmt, sein erschöpftes Heer bedürfe der Ruhe, müsse
in Polen wiederhergestellt und verstärkt werden. Blücher aber wollte sich
dann von den Russen trennen und südlich am Fuße der Glatzer Berge dem
Feinde Stand halten.') Schon war der Abmarsch der Russen über die
Oder angeordnet, das Kalischer Bündniß drohte auseinanderzugehen. Da
brachte ein schwerer Mißgriff Napoleon's den Alliirten die Waffenruhe, die
ihre Rettung werden sollte.
Wie laut er auch in seinen Bulletins prahlte, so unterschätzte Na-
poleon doch nicht die Gefahren seiner scheinbar so glänzenden Lage. Wohl
hielt er alle Lande des rechten Elbufers, dazu die Lausitz und einen Theil
von Schlesien in seiner Gewalt, jedoch er sah auch die zunehmende Ver-
wilderung seines Heeres und fürchtete die unberechenbaren Mächte eines
verzweifelten Volkskrieges. Wenn er jetzt, mit den Kränzen zweier neuer
Siege um die Stirn, die Hand zum Frieden bot, so ließ sich vielleicht
ein Abkommen erreichen, das dem Kaiserreiche seine constitutionellen Gren-
zen sicherte, und der Vernichtungskampf gegen Preußen mochte nach einiger
Zeit unter günstigeren Umständen wieder aufsgenommen werden. Der so
oft erprobte beste Bundesgenosse des kaiserlichen Frankreichs, die Zwietracht
der Ostmächte konnte wohl auch diesmal noch seine Dienste thun. Von
den Vermittlungsversuchen seines Schwiegervaters versprach sich der Im-
perator nichts Gutes; er vergaß es nicht, daß Schwarzenberg ihm vor
Kurzem in's Gesicht gesagt: die Politik hat diesen Ehebund geschlossen, die
Politik kann ihn auch lösen! Dieser heimtückischen Hofburg, die ohne den
Muth zu schlagen nach Ländergewinn trachte, gönnte er keinen Vortheil.
Vielmehr hoffte er eine Zeit lang auf den Wankelmuth Alexander's, den
er schon vor der Bautzener Schlacht vergeblich durch lockende Friedens-
vorschläge zu gewinnen versucht hatte. Der bewährte Caulaincourt sollte
*7) Blücher's Bericht an den König, 1. Juni, Gneisenau an Hardenberg, 3. Juni 1813.