Bündniß mit England. 465
Clausewitz seine köstliche Schrift über den Frühjahrsfeldzug und führte
darin den Nachweis, daß die Streitkräfte der Alliirten während der Waffen—
ruhe unverhältnißmäßig wachsen müßten. Ebenso faßte Hardenberg die
Lage auf; sein Tagebuch enthält hinter der Nachricht vom Waffenstill—
stande die lakonische Bemerkung: „war doch gut.“ Wie er Napoleon's
Stolz kannte hielt er für ganz undenkbar, daß der noch unbesiegte Im—
perator auf Oesterreichs Friedensvorschläge eingehen würde; seine Zu—
versicht war um so fester, da ihm durch Stadion beruhigende Mitthei—
lungen über die freundlichen Absichten der Hofburg zukamen.
Während Oesterreich sich anschickte den Weltfrieden zu vermitteln,
führte der Staatskanzler die Verhandlungen mit England weiter und
schloß am 14. Juni den Vertrag von Reichenbach, kraft dessen die beiden
Mächte sich verpflichteten die Unabhängigkeit der von Frankreich unter—
drückten Staaten wieder herzustellen. Schritt für Schritt hatte er mit
der welfischen Habgier ringen müssen, und wenn er schließlich zur Hälfte
nachgab, so befand er sich in der Lage des Bedrängten, der in höchster Geld—
noth einem Wucherer Wucherzinsen zahlt. Ohne die englischen Subsidien
war Preußen völlig außer Stande den Krieg fortzuführen, das hatte Har—
denberg schon im Februar dem britischen Cabinet erklärt. Das Tory—
Cabinet konnte sich auf die ergebene Mehrheit in beiden Häusern unbe—
dingt verlassen; was hätte es dem preußischen Staatskanzler gefrommt,
den Beistand der Opposition anzurufen? Als er einmal dem General
Stewart vorhielt, das Parlament und die englische Nation würden ein
so kleinliches Verfahren in großer Sache sicherlich nicht billigen, da er—
widerte Jener mit unfreiwilligem Humor: „ich bin weder von der Nation
noch von dem Parlament hierhergeschickt worden, sondern von S. K. Hoheit
dem Prinzregenten!“ Stewart und sein Amtsgenosse, der hölzerne, steif
pedantische Lord Clancarty trugen die Ueberlegenheit des Bezahlenden
mit der ganzen ihrem Volke eigenthümlichen Rücksichtslosigkeit zur Schau.
Dazu die bodenlose Unwissenheit dieser Torys; aus Clancarty's Briefen
mußte Hardenberg ersehen, daß der Lord den Kalischer Vertrag entweder
nie gelesen oder gröblich mißverstanden hatte. Von selbst verstand sich,
daß Preußen nur halb so viel Subsidien erhalten sollte als Rußland,
das überdies, Dank seiner geographischen Lage, vor welfischen Landfor-
derungen bewahrt blieb; die unglücklichen Ziffern des Kalischer Vertrags
zeigten jetzt ihre praktische Bedeutung. Endlich einigte man sich über
666,666 Pfd. St., wofür Preußen 80,000 Mann in's Feld stellen sollte;
und diese für einen solchen Krieg armselige Summe, um ein Drittel
niedriger als die an Schweden bewilligten Subsidien, ward mit Abzug
des Wechselkurses, der fast dreißig vom Hundert betrug, ausbezahlt, so
daß Preußen nur 3½ Mill. Thlr. erhielt. Erst nach widerwärtigen Ver-
handlungen erreichte der Gesandte Jacobi in London, daß der Werth der
gelieferten Waffen nicht auch noch von den Subsidien abgezogen wurde.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 30