Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Bündniß mit England. 465 
Clausewitz seine köstliche Schrift über den Frühjahrsfeldzug und führte 
darin den Nachweis, daß die Streitkräfte der Alliirten während der Waffen— 
ruhe unverhältnißmäßig wachsen müßten. Ebenso faßte Hardenberg die 
Lage auf; sein Tagebuch enthält hinter der Nachricht vom Waffenstill— 
stande die lakonische Bemerkung: „war doch gut.“ Wie er Napoleon's 
Stolz kannte hielt er für ganz undenkbar, daß der noch unbesiegte Im— 
perator auf Oesterreichs Friedensvorschläge eingehen würde; seine Zu— 
versicht war um so fester, da ihm durch Stadion beruhigende Mitthei— 
lungen über die freundlichen Absichten der Hofburg zukamen. 
Während Oesterreich sich anschickte den Weltfrieden zu vermitteln, 
führte der Staatskanzler die Verhandlungen mit England weiter und 
schloß am 14. Juni den Vertrag von Reichenbach, kraft dessen die beiden 
Mächte sich verpflichteten die Unabhängigkeit der von Frankreich unter— 
drückten Staaten wieder herzustellen. Schritt für Schritt hatte er mit 
der welfischen Habgier ringen müssen, und wenn er schließlich zur Hälfte 
nachgab, so befand er sich in der Lage des Bedrängten, der in höchster Geld— 
noth einem Wucherer Wucherzinsen zahlt. Ohne die englischen Subsidien 
war Preußen völlig außer Stande den Krieg fortzuführen, das hatte Har— 
denberg schon im Februar dem britischen Cabinet erklärt. Das Tory— 
Cabinet konnte sich auf die ergebene Mehrheit in beiden Häusern unbe— 
dingt verlassen; was hätte es dem preußischen Staatskanzler gefrommt, 
den Beistand der Opposition anzurufen? Als er einmal dem General 
Stewart vorhielt, das Parlament und die englische Nation würden ein 
so kleinliches Verfahren in großer Sache sicherlich nicht billigen, da er— 
widerte Jener mit unfreiwilligem Humor: „ich bin weder von der Nation 
noch von dem Parlament hierhergeschickt worden, sondern von S. K. Hoheit 
dem Prinzregenten!“ Stewart und sein Amtsgenosse, der hölzerne, steif 
pedantische Lord Clancarty trugen die Ueberlegenheit des Bezahlenden 
mit der ganzen ihrem Volke eigenthümlichen Rücksichtslosigkeit zur Schau. 
Dazu die bodenlose Unwissenheit dieser Torys; aus Clancarty's Briefen 
mußte Hardenberg ersehen, daß der Lord den Kalischer Vertrag entweder 
nie gelesen oder gröblich mißverstanden hatte. Von selbst verstand sich, 
daß Preußen nur halb so viel Subsidien erhalten sollte als Rußland, 
das überdies, Dank seiner geographischen Lage, vor welfischen Landfor- 
derungen bewahrt blieb; die unglücklichen Ziffern des Kalischer Vertrags 
zeigten jetzt ihre praktische Bedeutung. Endlich einigte man sich über 
666,666 Pfd. St., wofür Preußen 80,000 Mann in's Feld stellen sollte; 
und diese für einen solchen Krieg armselige Summe, um ein Drittel 
niedriger als die an Schweden bewilligten Subsidien, ward mit Abzug 
des Wechselkurses, der fast dreißig vom Hundert betrug, ausbezahlt, so 
daß Preußen nur 3½ Mill. Thlr. erhielt. Erst nach widerwärtigen Ver- 
handlungen erreichte der Gesandte Jacobi in London, daß der Werth der 
gelieferten Waffen nicht auch noch von den Subsidien abgezogen wurde. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 30
	        
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