468 I. 4. Der Befreiungskrieg.
Ranges; der Rheinbund endlich blieb erhalten, nach Metternich's altem
Grundsatze, daß man die kleinen Höfe durch nachgiebige Güte gewinnen müsse.
Welche Zumuthung für die Verbündeten! Sie schwankten lange, ver-
handelten seit dem 10. Juni mit Stadion im Hauptaquartier zu Reichenbach
und gleichzeitig in wiederholten persönlichen Zusammenkünften mit dem
kaiserlichen Hofe, der seine Residenz in die Schlösser an der böhmisch-schlesi-
schen Grenze verlegt hatte. Trotz aller Bedenken blieb Hardenberg des zu-
versichtlichen Glaubens, daß Napoleon niemals in die bescheidenen Bedin-
gungen willigen werde; forderten sie doch von ihm was er noch in starker
Hand festhielt! Am 27. Juni unterzeichneten endlich Stadion, Nesselrode
und Hardenberg den Reichenbacher Vertrag, welcher die österreichischen
Vorschläge guthieß, aber zugleich der Hofburg zum ersten male eine halb-
wegs sichere Verpflichtung auferlegte. Oesterreich mußte versprechen, falls
Napoleon die Friedensbedingungen bis zum 20. Juli nicht annähme, sofort
die Waffen zu ergreifen, mit mindestens 150,000 Mann an dem Feld-
zuge theilzunehmen und einen gemeinsamen Kriegsplan mit den Verbün-
deten zu vereinbaren; trat der Kriegsfall ein, so sollte der von den Allürten
ursprünglich vorgeschlagene Plan einer gründlichen Neugestaltung Europas
als das Ziel des gemeinsamen Kampfes gelten, und man verpflichtete sich
diesen Plan im weitesten Sinne auszulegen. So war die Hofburg doch
für einen Fall gebunden. Die Allürten aber behielten freie Hand; sie er-
klärten unzweideutig, daß sie ohne die Auflösung des Rheinbundes und die
Wiederherstellung der alten Macht Preußens sich nicht beruhigen würden,
und der österreichische Bevollmächtigte erhob keinen Einspruch dawider.
Unterdessen war Metternich nach Dresden gegangen um Napoleon
für die Einleitung der Friedensverhandlungen zu gewinnen. Dort ging
es hoch her, im Palaste Marcolini; der gesammte kaiserliche Hofstaat war
versammelt, Talma und die Mars spielten vor dem Imperator. Die fran-
zösische Nation sollte glauben, daß ihr Beherrscher den Frieden ernstlich
wolle und sich auf die langen Verhandlungen eines großen europäischen
Congresses einrichte. In Wahrheit war all sein Sinnen nur noch auf
die Wiederaufnahme des Krieges gerichtet; die Anwandlungen friedlicher
Gedanken verflogen seit er den guten Fortgang seiner gewaltigen Rüstungen
sah und die unbeirrte Festigkeit des Czaren erkannte. Als er mit dem
Abgesandten des vermittelnden Hofes in einer langen Unterredung unter
vier Augen sich besprach, da brach sein beleidigter Stolz und der verhal-
tene Zorn über alle die getäuschten Hoffnungen, die er einst an die öster-
reichische Familienverbindung geknüpft, in so leidenschaftlichen und ge-
hässigen Worten durch, daß Metternich jetzt ernstlich zu zweifeln begann,
ob eine Verständigung mit diesem Manne möglich sei. Die Ueberhebung
des Imperators, der sich längst gewöhnt hatte die Habsburg-Lothringer
als „störrische Vasallen der Krone Frankreich“ zu behandeln, erschien dem
weltkundigen österreichischen Diplomaten wie Raserei; und dabei sagte