Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

470 I. 4. Der Befreiungskrieg. 
scher Bunde beitrat, die Erwerbung von Norwegen. Ein geheimer Artikel 
verhieß den Dänen nöthigenfalls auf deutschem Boden eine Entschädigung 
für Norwegen. Hardenberg's Leichtsinn fand daran kein Arg; er meinte, 
diese Entschädigung könne höchstens in einem kleinen Fetzen Landes be- 
stehen, da man ja Dänemark durch die Waffen bezwingen wollte, und 
glaubte zu wissen, daß Schwedisch-Pommern auf keinen Fall den Kauf- 
preis für Norwegen bilden werde. Hatte ihm doch Bernadotte mündlich 
versichert, Schweden sei geneigt, den letzten Rest seiner deutschen Besitzungen 
an Preußen abzutreten.) Aber was war auf solche unbestimmte Zu- 
sagen des Treulosen zu geben? 
Mit jedem neuen Tage wuchsen die Hoffnungen auf Oesterreichs 
Beitritt; auch die Nachricht von Wellington's strahlendem Siege bei Vi- 
toria und der gänzlichen Befreiung Spaniens wirkten ermuthigend auf 
die Hofburg. Nach der Ratiborschitzer Unterredung gelangte Metternich 
zu der Einsicht, daß man die Rolle einer dritten Partei nicht mehr weiter 
spielen dürfe. Am 13. Juli enthüllte er seine kriegerischen Pläne zum 
ersten male seinem kaiserlichen Herrn: selbst für den Fall, daß die Ver- 
bündeten die Friedensvorschläge verwürfen und Napoleon sie annähme, 
würde Oesterreich der Coalition nicht mehr fern bleiben können, ohne sich 
in der öffentlichen Achtung herabzusetzen. Der noch immer durchaus fried- 
fertige Kaiser ließ sich auf diese unwillkommene Möglichkeit noch nicht ein; 
er versprach nur für das vorgelegte Friedensprogramm standhaft einzu- 
treten, obschon ihm Einzelnes darin übertrieben schien. Napoleon war 
unterdessen nach Mainz gegangen, auf Frankreichs classischen Boden, wie 
er das linke Rheinufer zu nennen pflegte. Noch einmal hielt er dort 
großen Hoftag; Dalberg und die Fürsten von Baden, Darmstadt, Nassau 
überbrachten persönlich ihre unterthänigen Glückwünsche zu den Siegen 
des Frühjahrs. Er freute sich an dem Anblick seiner herrlichen Truppen 
und kehrte dann nach Dresden zurück mit dem stolzen Bewußtsein, daß 
er wieder stark genug sei um der Welt Gesetze zu geben. Im Rausche 
seines Stolzes that er geflissentlich Alles was den vermittelnden Hof be- 
leidigen und verletzen mußte, also daß Kaiser Franz zuletzt geradezu durch 
die gekränkte Fürstenehre genöthigt ward mit dem Schwiegersohne zu brechen. 
Die Gesandten der Alliirten in Prag, Anstett und Humboldt, hatten 
Beide sehr beschränkte Vollmacht und waren insgeheim Beide entschlossen 
den Verhandlungen jedes mögliche Hinderniß in den Weg zu legen. Nie- 
mand war für eine solche Aufgabe besser geeignet als Humboldt, der 
Meister aller dialektischen Künste; auch er fühlte sich ergriffen von der 
Begeisterung der Zeit, soweit seine kühle Natur dazu fähig war, und 
legte willig seine gelehrten Arbeiten zur Seite um einmal ganz der Politik 
zu leben. Napoleon's Hochmuth überhob ihn jedoch aller Anstrengung. 
Mehrere Tage lang mußte er mit Anstett warten bevor ein französischer 
*) Hardenberg's Tagebuch, 24. Januar 1814. 
 
	        
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