Ende der Waffenruhe. 473
Durch den glücklichen Fortgang der preußisch-russischen Rüstungen
und durch den Zutritt von 110,000 Mann Oesterreichern wurde endlich
das Gleichgewicht der Kopfstärke zwischen den beiden Parteien annähernd
hergestellt. Die Coalition verfügte über eine Feldarmee von über 480,000
Mann, worunter etwa 165,000 Preußen und nahezu eben so viel Russen,
sie war dem Feinde namentlich durch die Stärke ihrer Reiterei und Artil-
lerie überlegen. Napoleon hatte sein Heer auf 410,000 Mann gebracht.
Die Fürsten des Rheinbundes leisteten willig Heeresfolge, zumal da der
Protector wieder den Schirmherrn des Particularismus spielte und ihnen
die Gefahr der Wiederherstellung des alten deutschen Reichs, des Verlustes
der Souveränität in finsteren Farben schilderte. Nur der Münchener Hof
zeigte eine verdächtige Saumseligkeit; er nahm die Kriegserklärung Oester-
reichs zum Vorwande um die Hauptmasse seines Heeres im Lande zurück-
zuhalten, stellte nur eine schwache Division auf den norddeutschen Kriegs-
schauplatz. Verließ das Glück die französischen Fahnen, so war Baiern zum
Abfall vorbereitet. Unter den unglücklichen Truppen des Rheinbundes
nahm der Unmuth überhand seit den theuer erkauften fruchtlosen Siegen
des Frühjahrs. Napoleon traute ihnen nicht, am wenigsten den West-
phalen. Trotzdem sah er dem Kriege mit Zuversicht entgegen. Die ge-
ringe Ueberzahl der Feldarmee der Verbündeten wurde reichlich aufge-
wogen durch den Besitz der Festungen des Nordostens, deren Einschließung
fast die Hälfte der preußischen Landwehr sowie einen großen Theil des russi-
schen Heeres in Anspruch nahm, vornehmlich aber durch die günstige centrale
Stellung an der Elblinie, die von Glückstadt und Hamburg bis hinauf
nach Dresden und Königstein in Napoleon's Händen war. Fast auf der
nämlichen Stelle hatte einst König Friedrich sechs Jahre lang eine un-
gleich bedrohlichere Uebermacht in Schach gehalten; warum sollte dem
Kriegsfürsten des neuen Jahrhunderts nicht auch gelingen, durch gewandte
Benutzung der kurzen inneren Operationslinien, die er beherrschte, die
Gegner zu überraschen, ihre weit von einander getrennten Heere vereinzelt
zu schlagen?
Den sittlichen Kräften der Coalation erwuchs aus dem Beitritt Oester-
reichs kein Gewinn. Die kaiserlichen Truppen schlugen sich tapfer wie zu
allen Zeiten; von der stürmischen Begeisterung des norddeutschen Volkes
empfanden sie wenig, weniger sogar als die Russen, die nicht nur ihren
alten Ruhm unerschütterlicher passiver Todesverachtung wieder bewährten,
sondern auch durch das lange Zusammenleben mit den Preußen und durch
die Gunst des Glücks nach und nach Freude gewannen an dem unwillig
begonnenen deutschen Kriege. Der Geist von 1809 erwachte nicht wieder.
Die Völker Oesterreichs sahen sich ungern aufgestört aus der bequemen
Ruhe der jüngsten vier Jahre, sie sprachen ihre Furcht vor einem neuen
Einbruche der französischen Eroberer so lebhaft aus, daß Erzherzog Johann
seinen Grazern Muth einsprechen mußte; sie bemitleideten die ausziehenden.