Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

504 I. 4. Der Befreiungskrieg. 
Corps westlich durch die Auen auf die Rückzugslinie Napoleon's entsenden 
konnte. Dort im Westen stand also Gyulay mit seinen 22,000 Oester- 
reichern den 15,000 Mann des Bertrand'schen Corps allein gegenüber 
und er verstand nicht seine Uebermacht zu verwerthen; die große Frank- 
furter Straße blieb dem Imperator gesichert. Auch auf dem Hauptschau- 
platze des Kampfes, bei Wachau fochten die Verbündeten nicht glücklich. 
Hier hatte zwei Tage vorher ein großartiges Vorspiel der Völkerschlacht 
sich abgespielt, ein gewaltiges Reitergefecht, wobei König Murat nur mit 
Noth dem Säbel des Leutnants Guido v. d. Lippe von den Neumärkischen 
Dragonern entgangen war. Heute hielt Napolcon selber mit der Garde 
und dem Kerne seines Heeres die dritthalb Stunden lange Linie von Dölitz 
bis Seifertshain besetzt, durch Zahl und Stellung den Verbündeten über- 
legen, 121,000 gegen 113,000 Mann. Auf dem linken Flügel der Alliurten, 
zwischen den beiden Flüssen, vergeudeten die unglücklichen Opfer der Feld- 
herrnkunst Langenau's ihre Kraft in einem tapferen, aber aussichtslosen 
Kampfe; eingeklemmt in dem buschigen Gelände vermochten sie ihre Macht 
nicht zu gebrauchen, General Merveldt selbst gerieth mit einem Theile 
seines Corps in Gefangenschaft; mit Mühe wurden die Reserven dieser 
Oesterreicher aus den Auen über die Pleiße rechtsab auf die offene Ebene 
hinauf gezogen. Es war die höchste Zeit, denn hier im Centrum konnten 
Kleist'7s Preußen und die Russen des Prinzen Eugen sich auf die Dauer 
nicht behaupten in dem verzweifelten Ringen gegen die erdrückende Ueber- 
macht, die unter dem Schutze von 300 Geschützen ihre Schläge führte. 
Die volle Hälfte dieser Helden von Kulm lag auf dem Schlachtfelde. Schon 
glaubt Napoleon die Schlacht gewonnen, befiehlt in der Stadt Victoria 
zu läuten, sendet Siegesboten an seinen Vasallen König Friedrich August, 
der in Leipzig angstvoll der Entscheidung harrt. „Noch dreht sich die 
Welt um uns“ — ruft er frohlockend seinem Daru zu. Ein letzter zer- 
schmetternder Angriff der gesammten Reiterei soll das Centrum durch- 
brechen. Noch einmal dröhnt die Erde von dem Feuer der 300 Ge- 
schütze, dann rasen 9000 Reiter in geschlossener Masse über das Blachfeld 
dahin, ein undurchdringliches Dickicht von Rossen, Helmen, Lanzen und 
Schwertern. Da kommen die österreichischen Reserven aus der Aue heran, 
und während die Reitermassen, athemlos von dem tollen Ritt, allmählich 
zurückgedrängt werden, setzen sich die Verbündeten nochmals in den ver- 
lorenen Dörfern fest und am Abend behaupten sie fast wieder dieselbe 
Stellung wie am Morgen. Schwarzenberg's Angriff war gescheitert, doch 
der Sieger hatte nicht einmal den Besitz des Schlachtfeldes gewonnen. 
Trat Napoleon jetzt den Rückzug an, so konnte er sein Heer in guter 
Ordnung zum Rheine führen; denn die schlesische Armee, die einzige 
Siegerin des ersten Schlachttags, stand von der Frankfurter Straße noch 
weit entfernt und war überdies tief erschöpft von dem verlustreichen Kampfe. 
Aber der Liebling des Glücks vermochte das Unglück nicht zu ertragen.
	        
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