514 I. 5. Ende der Kriegszeit.
Bitte, daß keine Veränderung der alten Landesverfassung erfolge, es sei
denn nach Anhörung des Landtags. In gleichem Sinne schrieb der Vor-
sitzende von Ritterschaft und Ständen Ostfrieslands, Freiherr zu Inn-
und Knyphausen zum nächsten Geburtstage des Königs, betheuerte mit
warmen Worten, wie sehr das Land sich freue „seinen alten herrlichen
Festtag“" wieder feiern zu dürfen, wie tief man beklage, daß nur ein
Theil des Landsturms, nicht die Landwehr in's Feuer gekommen; zugleich
baten die Stände um gänzliche Aufhebung der französischen Einrichtungen
und Herstellung der alten Verfassung.) Hardenberg erwiderte behut-
sam: der König werde gern das Glück einer ihrem rechtmäßigen Landes-
herrn und ihrer Verfassung so ergebenen Provinz dauerhaft begründen.
Ein festes Versprechen gab er nicht, denn was sollte aus den Reform-
plänen der jüngsten Jahre werden, wenn man alle diese von der Fremd-
herrschaft längst aufgehobenen kleinen Landtage wieder anerkannte? So
begann bereits im Augenblicke der Befreiung jene altständische Bewegung,
welche nachher, verbündet mit den verwandten Bestrebungen des branden-
burgischen Adels, der Staatseinheit der wiederhergestellten Monarchie be-
drohlich werden sollte.
Unter den nichtpreußischen Gebieten zeigte das Herzogthum Berg den
freudigsten patriotischen Eifer. Das Land stand von Altersher in freund-
lichem Verkehre mit den preußischen Nachbarn in der Grafschaft Mark,
seine Protestanten hatten schon in der fridericianischen Zeit immer zur
preußischen Partei gehalten; jetzt war Alles erbittert gegen die napoleoni-
schen Präfecten, die schon zu Anfang des Jahres einen Aufstandsversuch
mit blutiger Strenge niedergeworfen hatten. Das ganze Land fiel der
deutschen Sache zu, als der Generalgouverneur Justus Gruner einzog
und nach seiner leidenschaftlichen Weise mit schwungvollen, enthusiastischen
Worten das Volk zur Rüstung aufforderte. Fast so schnell wie in den
altpreußischen Gebieten versammelte sich die junge Mannschaft. Der Land-
sturm versuchte sogar am 3. Januar bei Mülheim und am Fuße des
Siebengebirges den Uebergang über den Rhein zu erzwingen, und lange
noch blieben die Namen der beiden Führer des verunglückten Unterneh-
mens, Boltenstern und Genger, dem bergischen Volke im Gedächtniß. Es
war das erste Wiedererwachen eines ernsten politischen Wollens in diesen
ermatteten rheinischen Landen. Das erbitterte Volk wollte alle Institu-
tionen der Fremdherrschaft sogleich beseitigt sehen. Fort mit dem wälschen
Rechtel hieß es überall; am Jahrestage der Leipziger Schlacht wurde in
Düsseldorf die Guillotine als das Symbol der fremden Tyrannei feier-
lich verbrannt. Gruner aber begnügte sich das Heerwesen neuzugestalten
und — bezeichnend genug für den idealistischen Zug der Zeit — das fran-
zösische Wesen aus den Schulen auszutreiben; das altehrwürdige Düssel-
*) Eingabe Knyphausen's an den König, 25. Juli 1814.