520 I. 5. Ende der Kriegszeit.
die Unabhängigkeit der Hansestädte gefordert, und wie konnte man Ham—
burg als eine feindliche Stadt behandeln, da die Hamburgische Bürger—
garde, geführt von dem tapferen Mettlerkamp, schon seit Monaten in
den Reihen der Nordarmee kämpfte? Die drei Städte erhielten die Zusage
der Wiederherstellung, und durch Stein's Schuld wurde noch eine vierte
Republik in das neue monarchische Deutschland eingeführt, die alte Krö—
nungsstadt. Frankfurt. So verschroben und hoffnungslos lagen bereits
die deutschen Dinge, daß der stolze Vorkämpfer der nationalen Einheit
sich mit Eifer und Erfolg für die Wiederaufrichtung eines lebensunfähigen
Stadtstaates verwendete. Der Reichsritter hegte von jeher eine Vorliebe
für das reichsstädtische Leben und wollte um jeden Preis die schöne Main-
stadt erretten vor den benachbarten Rheinbundsfürsten, die schon allesammt
ihre gierigen Hände nach der reichen Beute ausstreckten. —
Diese Rheinbündner drängten sich jetzt nach der Entscheidung ge-
schäftig an die Verbündeten heran. Wieder wie einst in Rastatt, Paris,
Posen bettelte Deutschlands hoher Adel um die Gnade der Sieger und
diesmal brauchte er kein Geld zur Handsalbe zu geben. Als Kaiser Franz
in Frankfurt einzog, begrüßte ihn das jauchzende Volk als den Herrscher
Deutschlands; der Name „unser Kaiser“ übte wieder seinen mächtigen
Zauber auf die deutschen Herzen. Er aber wollte von „diesem unbedeu-
tenden Titel“ nichts hören; „auf solche Weise“ — gestand Metternich einem
französischen Unterhändler — „gehört uns Deutschland noch mehr als früher."
Die Beherrschung des Deutschen Bundes durch eine dem Hause Oester-
reich ergebene Fürstenmehrheit war das nächste Ziel der deutschen Politik
der Hofburg. Darum blieb Metternich unerbittlich gegen die Mediatisir-
ten; er erkannte richtig, daß die Freundschaft dieser alten Parteigenossen
Oesterreichs wenig mehr bedeutete seit die geistlichen Fürstenthümer ver-
schwunden waren, und wendete sein Wohlwollen ihren glücklichen Erben,
den rheinbündischen Fürsten zu. Ebenso dachten alle fremden Höfe, denn
sie alle wünschten Deutschlands Schwäche und waren zudem mit den
Kleinkönigen verschwiegert und vervettert. Ueber diese durchlauchtigen
Familienverbindungen, die bis zum heutigen Tage die stärkste Stütze der
deutschen Kleinstaaterei bilden, sprach sich der Czar in Frankfurt offenherzig
aus, als er einmal in einem unbewachten Augenblicke zu Stein sagte:
„woher sollte ich Gemahlinnen für meine Großfürsten bekommen, wenn
alle diese kleinen Fürsten entthront würden?"“" Zornig fuhr der Freiherr
heraus: „das habe ich freilich nicht gewußt, daß Ew. Majestät Deutsch-
land als eine russische Stuterei betrachten.“ Gleich ihm erwarteten alle
preußischen Generale eine kräftige Abstrafung des Rheinbundgesindels,
wie Blücher sich ausdrückte. York ließ nach dem Einmarsch in Wiesbaden
sogleich die nassauischen Wachposten abziehen und gab einem Kammerherrn,
der ihn fragte, ob er denn Seine Hoheit entthronen wolle — die barsche
Antwort: „noch habe ich keinen Befehl dazu.“