538 I. 5. Ende der Kriegszeit.
über. In Nanchy feierte Blücher zu seiner lebhaften Genugthuung das
preußische Krönungsfest, in derselben Stadt, die zwei Jahre lang seine
unglücklichen kriegsgefangenen Kameraden beherbergt hatte. Dann wen-
dete er sich in kühner Schwenkung südwestwärts, überschritt die Marne
und langte in den letzten Tagen des Januars bei Brienne an der Aube
an. So schob er sein Heer mitten hinein zwischen den von Chalons
heranrückenden Imperator und die Große Armee, die nach einem Marsche
von mehr als einem Monat endlich das Plateau von Langres erreicht
hatte. Der alte Held hoffte den zaudernden Schwarzenberg mit sich zum
gewissen Siege fortzureißen.
Im großen Hauptquartier zu Langres herrschte wieder Zwietracht und
Rathlosigkeit. Die wundersame Hochebene, von deren Besitznahme Lan-
genau die Entscheidung des Krieges erwartet hatte, war glücklich erreicht,
die Festung Langres selber hatte fast ohne Widerstand ihre Thore geöffnet
und doch war mit Alledem gar nichts gewonnen. Die Thorheit dieser
gegen Berge und Flüsse gerichteten Kriegführung drängte sich jedem un-
befangenen Kopfe auf. Nur um so zäher hielten die gelehrten Strategen
an ihren Principien fest; nach ihrer Meinung war durch den Zug vom
Rhein bis Langres „die zweite Campagne“ beendigt, und nun galt es
erst zu erwägen, ob eine dritte Campagne noch nöthig sei. Knesebeck er-
klärte die Wasserscheide von Langres für den Rubicon, der nicht über-
schritten werden dürfe. General Duca empfahl, durch die Belagerung
von Mainz einen methodischen Festungskrieg zu eröffnen. Schwarzenberg
bemerkte verächtlich, mit welcher kindischen Wuth Blücher und Gneisenau,
alle Regeln der Kriegskunst verachtend, nach Paris drängten; er fand
diese preußischen Köpfe „zu klein für ein so großes Ereigniß“: sie verfolgten
ja doch nur den Zweck sich's wohl sein zu lassen in den Restaurants
des Palais Royal! Ueber Alexander's Kriegseifer urtheilte er, ganz im
Sinne seines Hofes: „nicht Gründe, sondern Lüsternheit leiten Alexander's
Schritte;“" denn jeder neue Sieg konnte nur noch die Machterweiterung
Rußlands und die Wiederherstellung Preußens sichern. Die zärtlichen
Briefe, worin Marie Luise das Herz ihres Vaters bestürmte, richteten
freilich bei der Gemüthlosigkeit des Kaisers Franz nichts aus; jedoch sah
er mit steigendem Unmuthe, daß er die Kräfte seines Staates und seine
eigene Bequemlichkeit für fremde Zwecke opfern sollte. Die Wiederher-
stellung der getreuen geistlichen Kurfürsten war doch unmöglich; wie durfte
man ihm zumuthen, das linke Rheinufer für Preußen zu erobern? Er
verlangte Frieden, schleunigen Abschluß mit Anerkennung jener „natürlichen
Grenzen"“, welche Metternich ja schon in Frankfurt zugestanden hatte. Seine
Unlust an dem Kriege steigerte sich bis zum Abschen, seit er erfuhr, daß
Alexander auf Napoleon's Absetzung hinarbeitete. Denn der Sturz des
Schwiegersohnes war nicht nur an sich gegen das Interesse des Hauses
Oesterreich; es stand auch zu befürchten, daß der Czar auf die neue Re-