Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

554 I. 5. Ende der Kriegszeit. 
tapfere französische General die Capitulation, die ihm Friedrich Wilhelm an- 
bot; so blieb nichts übrig als eine grausige Schlächterei. Schaudernd sahen 
der König und sein Sohn Wilhelm, wie die Kanonenkugeln durch den 
zusammengekeilten Menschenhaufen lange Furchen zogen und dann die 
Reiter mit der blanken Waffe hineinschmetterten. Ihrer viertausend er- 
gaben sich endlich, fünftausend lagen todt am Boden. Es war ein Schau- 
spiel der Vernichtung, wie es in prahlerischen Schlachtberichten oft ge- 
schildert, selten wirklich erlebt wird; alte wetterfeste Offiziere sah man 
erbleichen, wenn auf diesen Tag die Rede kam. 
Wohl war es die höchste Zeit, daß den verstimmten Truppen endlich 
wieder die Zuversicht des Gelingens kam. Heuer fand sich kein Clausewitz, 
der, wie nach den verlorenen Schlachten des letzten Frühjahrsfeldzuges, dem 
Heere die unvermeidliche Nothwendigkeit des Geschehenen erwiesen hätte. 
Die denkenden Offiziere wußten allesammt, daß eine beispiellos mattherzige 
Kriegführung das Blut der Deutschen und der Russen in Strömen nutzlos 
vergossen hatte; die fade Schönfärberei der amtlichen Kriegsberichte des 
großen Hauptquartiers begann der Armee selber zum Ekel zu werden. Nun 
endlich war der Bann gebrochen, aller Groll verstummte vor der beseligenden 
Gewißheit der nahen letzten Entscheidung. Napoleon blieb in der That 
einige Tage lange in dem Wahne, daß die große Armee ihm gen Osten 
folge; als er endlich seinen Irrthum erkannte und in Gewaltmärschen 
herbeieilte, konnte er die bedrohte Hauptstadt nicht mehr rechtzeitig er- 
reichen, das Verhängniß nicht mehr wenden. 
Auf dem Wege der Verbündeten standen nur noch die gelichteten 
Corps von Marmont und Mortier. Schwarzenberg's langsamer Marsch 
gewährte ihnen die Zeit Paris zu erreichen. Die beiden Marschälle be- 
schlossen, obgleich Marie Luise mit dem Könige von Rom an die Loire 
flüchtete, vor den Mauern der Hauptstadt eine letzte Schlacht zu wagen. 
Verstärkt durch Nationalgarden besetzten sie mit 34,000 Mann die Dörfer 
der Bannmeile und die steilen Anhöhen, welche die Stadttheile des rechten 
Seineufers auf der Nord= und Ostseite in weitem Bogen umkränzen. 
Marmont stand auf der Rechten bis hinüber zum Walde von Vincennes, 
dicht am Zusammenfluß der Seine und Marne, Mortier hielt jenseits 
des Ourcq-Canals und lehnte sich mit dem äußersten linken Flügel an 
den Hügel des Montmartre. Der Kampf gegen die 100,000 Mann der 
Verbündeten war, trotz der festen Positionen der Franzosen, von vorn- 
herein aussichtslos; gleichwohl ward er überaus blutig, Dank den un- 
glücklichen Anordnungen des großen Hauptquartiers, das seine Uebermacht 
wieder nicht rechtzeitig zur Stelle brachte. Schon seit dem Morgen des 
30. März kämpfte Prinz Eugen mit seinen Russen gegen das Centrum 
der Franzosen, nahm das Dorf Pantin, versuchte die Hochebene von Ro- 
mainville zu erreichen, ward geworfen und hart bedrängt, bis endlich die 
russischen und die allzu lange pedantisch geschonten preußischen Garden
	        
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