Schlacht vor Paris. 555
ihm Luft machten. Die Garde erstürmte unter Oberst Alvensleben die
Batterien bei Pantin, während die Russen den Bergkirchhof Pere La
Chaise mit der blanken Waffe nahmen. Weit später ward das Gefecht
auf dem rechten Flügel der Franzosen eröffnet; der Kronprinz von Würt-
temberg setzte sich im Walde von Vincennes fest, behauptete sich dort und
drang am Nachmittage bis an das Ufer des Flusses vor. Auch die schle-
sische Armee gelangte erst kurz vor Mittag zum Kampfe gegen den linken
Flügel des Feindes. Wer hätte dem kranken Blücher verbieten dürfen,
an solchem Ehrentage dem Sturme der Deutschen auf den „Sankt Märten“
beizuwohnen? Die entzündeten Augen mit einem Damenhut und Schleier
bedeckt hielt er mitten im Getümmel und sah mit an, wie seine vielge-
prüften Schlesier noch einmal, wie einst bei Möckern, unter dem Kreuz-
feuer der feindlichen Batterien kämpften. Am Nachmittage war die ganze
Linie der Verbündeten im siegreichen Vorgehen; Prinz Wilhelm der Aeltere
hatte bereits die Barrieren der Stadt erreicht, nahebei erstürmten Kleist's
Truppen mit gefälltem Bajonett den Hügel mit den fünf Windmühlen
neben dem Montmartre, und auf der Linken der Franzosen drangen
Langeron's Russen an den steilen Abhängen der Steinbrüche des Mont-
martre empor bis hinauf zu den staffelförmig aufgestellten Batterien. Da
sprengten Adjutanten heran, weiße Tücher in den Händen; die Schlacht
war beendet, Paris hatte capitulirt.
Lange hielten die Generale neben den Mühlen auf der Höhe und
betrachteten schweigend die bezwungene Stadt; die stumpfen Thürme von
Notre Dame und die Kuppel des Pantheon glänzten im Abendlichte. Auch
Oberst Below trabte herauf mit seinen Litthauern; er mußte doch halten
was er in Tilsit versprochen und seinen Jungen die Hauptstadt des Fein-
des zeigen. Neuntehalb Jahrhunderte waren vergangen, seit unser Kaiser
Otto II. auf diesen Hügeln seine Adlerfahnen aufpflanzte und die Stadt
da drunten durch die Hallelujahrufe seiner Streiter schreckte; seitdem waren
Engländer und Spanier und auch einzelne Reiterhaufen deutscher Lands-
knechte bis in das Herz der französischen Macht eingedrungen, doch nie-
mals wieder ein deutsches Heer. Wie furchtbar war dann das unglück-
liche Deutschland durch die Uebermacht und den Uebermuth dieser bösesten
aller Nachbarn mißhandelt worden, also daß schon der große Kurfürst
zu der Einsicht kam, nur ein Zug nach Paris könne dem Welttheil die
Staatenfreiheit, das dauernde Gleichgewicht der Mächte wiedergewinnen.
Nun lag Jas neue Rom gebändigt, eine unabsehbare Zukunft voll fried-
lichen Völkerglücks schien sich aufzuthun vor den entzückten Blicken der
kampfesmüden Welt. Die Deutschen glaubten das Unrecht zweier Jahr-
hunderte gesühnt, als am nächsten Tage der Czar, der König und Schwar-
zenberg an der Spitze der verbündeten Heere ihren Eintritt hielten durch
das Martinsthor, das noch an König Ludwig's deutsche Eroberungsfahrten
erinnerte; darauf ging der Zug unter dem rasenden Jubel der dichtge-