Talleyrand's Instruction. 581
König Friedrich Wilhelm von einer solchen Familienverbindung durchaus
nichts wissen wollte, so trat bald wieder eine peinliche Spannung ein.
Der Bourbone fühlte sehr richtig, daß seine Nation von ihm entschiedene
Feindschaft gegen den werdenden deutschen Staat verlangte.
Auch Talleyrand's Instruction geht von demselben Gedanken aus. Sie
zeigt zunächst, daß Frankreich überall die kleinen Staaten unterstützen müsse,
und stellt sodann drei angeblich unanfechtbare Regeln des Völkerrechts auf:
die Souveränität, die für das öffentliche Recht das Nämliche ist was das
Eigenthum für das Privatrecht, kann niemals allein durch die Eroberung
erworben werden, sondern nur durch den Verzicht des Souveräns; sie ist
rechtsgiltig nur für diejenigen Mächte, welche sie anerkannt haben; endlich
(mit Nutzanwendung auf den gefangenen König von Sachsen) jeder Ver-
zicht auf die Souveränität ist nichtig, wenn er nicht in voller Freiheit aus-
gesprochen wird. Daraus folgt: Preußen hat durchaus kein Recht die im
Tilsiter Frieden rechtmäßig abgetretenen Provinzen zurückzugewinnen. Die
Mittelstaaten dagegen sind berechtigt die ihnen durch Napoleon geschenkten
Gebiete mediatisirter Reichsstände zu behalten. Denn die Mediatisirten
waren nicht Souveräne, sondern Unterthanen von Kaiser und Reich; jeder
Versuch sie wieder herzustellen wäre illegitim und gefährlich. „Schon ein
Zögern in diesem Punkte würde genügen ganz Süddeutschland aufzuregen
und in Flammen zu setzen.“ So ist denn mit wunderbar dreister Logik
erwiesen, daß die legitime Dynastie der Bourbonen die Politik des Rhein-
bundes fortführen, die Könige von Napoleon's Gnaden beschützen muß.
Die größte Gefahr droht der deutschen Freiheit von der Herrschsucht
Preußens. Jeder Vorwand ist dem Ehrgeiz dieses Staates recht; kein
Gewissensbedenken hält ihn auf. Gebe man ihm erst die versprochenen
zehn Millionen Seelen, so wird er bald ihrer zwanzig haben und ganz
Deutschland ihm unterworfen sein. Darum muß sein Besitzstand in
Deutschland beschränkt, sein Einfluß auf die deutschen Staaten im Zaum
gehalten werden durch eine weise Bundesverfassung, welche die Bundes-
gewalt in möglichst viele Hände legt. Dazu ist nöthig die Erhaltung der
kleinen, die Vergrößerung der Mittelstaaten und vor Allem die Wiederher-
stellung des den Bourbonen so nahe verwandten Königs Friedrich August;
„durch die Erwerbung Sachsens würde Preußen einen ungeheuren und
entscheidenden Schritt thun nach dem Ziele der völligen Beherrschung
Deutschlands.“ Darum soll auch Mainz nimmermehr eine preußische
Festung werden, sondern, wie Luxemburg, ein fester Platz des Deutschen
Bundes; südlich der Mosel darf sich Preußen nicht ausbreiten. Wir müssen
Holland helfen möglichst weit auf dem linken Rheinufer vorzurücken, des-
gleichen die Ansprüche Hessens, Baierns und namentlich Hannovers unter-
stützen, „um das für Preußen verfügbare Ländergebiet zu verkleinern“. Da
die Unabhängigkeit Polens leider unmöglich ist und nur zur Anarchie führen
kann, so muß dort der Zustand von 1805 wiederhergestellt werden, um so