Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Talleyrand's Instruction. 581 
König Friedrich Wilhelm von einer solchen Familienverbindung durchaus 
nichts wissen wollte, so trat bald wieder eine peinliche Spannung ein. 
Der Bourbone fühlte sehr richtig, daß seine Nation von ihm entschiedene 
Feindschaft gegen den werdenden deutschen Staat verlangte. 
Auch Talleyrand's Instruction geht von demselben Gedanken aus. Sie 
zeigt zunächst, daß Frankreich überall die kleinen Staaten unterstützen müsse, 
und stellt sodann drei angeblich unanfechtbare Regeln des Völkerrechts auf: 
die Souveränität, die für das öffentliche Recht das Nämliche ist was das 
Eigenthum für das Privatrecht, kann niemals allein durch die Eroberung 
erworben werden, sondern nur durch den Verzicht des Souveräns; sie ist 
rechtsgiltig nur für diejenigen Mächte, welche sie anerkannt haben; endlich 
(mit Nutzanwendung auf den gefangenen König von Sachsen) jeder Ver- 
zicht auf die Souveränität ist nichtig, wenn er nicht in voller Freiheit aus- 
gesprochen wird. Daraus folgt: Preußen hat durchaus kein Recht die im 
Tilsiter Frieden rechtmäßig abgetretenen Provinzen zurückzugewinnen. Die 
Mittelstaaten dagegen sind berechtigt die ihnen durch Napoleon geschenkten 
Gebiete mediatisirter Reichsstände zu behalten. Denn die Mediatisirten 
waren nicht Souveräne, sondern Unterthanen von Kaiser und Reich; jeder 
Versuch sie wieder herzustellen wäre illegitim und gefährlich. „Schon ein 
Zögern in diesem Punkte würde genügen ganz Süddeutschland aufzuregen 
und in Flammen zu setzen.“ So ist denn mit wunderbar dreister Logik 
erwiesen, daß die legitime Dynastie der Bourbonen die Politik des Rhein- 
bundes fortführen, die Könige von Napoleon's Gnaden beschützen muß. 
Die größte Gefahr droht der deutschen Freiheit von der Herrschsucht 
Preußens. Jeder Vorwand ist dem Ehrgeiz dieses Staates recht; kein 
Gewissensbedenken hält ihn auf. Gebe man ihm erst die versprochenen 
zehn Millionen Seelen, so wird er bald ihrer zwanzig haben und ganz 
Deutschland ihm unterworfen sein. Darum muß sein Besitzstand in 
Deutschland beschränkt, sein Einfluß auf die deutschen Staaten im Zaum 
gehalten werden durch eine weise Bundesverfassung, welche die Bundes- 
gewalt in möglichst viele Hände legt. Dazu ist nöthig die Erhaltung der 
kleinen, die Vergrößerung der Mittelstaaten und vor Allem die Wiederher- 
stellung des den Bourbonen so nahe verwandten Königs Friedrich August; 
„durch die Erwerbung Sachsens würde Preußen einen ungeheuren und 
entscheidenden Schritt thun nach dem Ziele der völligen Beherrschung 
Deutschlands.“ Darum soll auch Mainz nimmermehr eine preußische 
Festung werden, sondern, wie Luxemburg, ein fester Platz des Deutschen 
Bundes; südlich der Mosel darf sich Preußen nicht ausbreiten. Wir müssen 
Holland helfen möglichst weit auf dem linken Rheinufer vorzurücken, des- 
gleichen die Ansprüche Hessens, Baierns und namentlich Hannovers unter- 
stützen, „um das für Preußen verfügbare Ländergebiet zu verkleinern“. Da 
die Unabhängigkeit Polens leider unmöglich ist und nur zur Anarchie führen 
kann, so muß dort der Zustand von 1805 wiederhergestellt werden, um so
	        
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