Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

586 I. 5. Ende der Kriegszeit. 
Akrostichon besungen; in der Theilung Polens sah er ein politisches Ver- 
brechen: „die Vorsehung hat offenbar zum ewigen Memento in der Po- 
litik die Herstellung Polens beschlossen.“ Sicheres staatsmännisches Urtheil 
und scharfe Menschenkenntniß blieb ihm versagt. Er hatte den Czaren 
in großer Zeit, um das Jahr 1811, von der besten Seite kennen gelernt 
und sich eine sehr günstige Ansicht von dem Charakter des Monarchen 
gebildet. Nachher, während der Kriege, verlor er ihn aus den Augen 
und konnte auch nach der Heimkehr des Czaren lange keine vertrauliche 
Unterredung erlangen, da Alexander den Verkehr mit dem diplomatischen 
Corps absichtlich vermied. Der Oberst fiel aus allen seinen Himmeln, 
da ihm nun plötzlich die polnischen Pläne des Kaisers enthüllt wurden. 
Er konnte kaum fassen, wie Alexander, sonst so empfänglich für alles 
Edle „in diese wirkliche Napoleonspolitik“ verfallen mochte, und war, wie 
sein österreichischer College General Koller, der festen Meinung, daß man 
diesem Ehrgeiz entgegentreten müsse. 
Am 7. September übergab er dem Czaren den Brief des Königs. 
Alexander nahm die Zeilen mit sichtlicher Befriedigung entgegen, doch 
als ihm Schöler sodann das Ministerialschreiben vorlas, fuhr er in hellem 
Zorne auf: die Minister in Berlin verfolgen offenbar eine andere Politik 
als ihr königlicher Herr; ich habe Warschau erobert; was ich davon be- 
halten will (und dazu gehört Krakau, Thorn, Czenstochau, Kalisch) werde 
ich mit 700,000 Mann gegen Jedermann vertheidigen. Zugleich be- 
theuerte er hoch und heilig, in allen anderen Fragen stehe er seinem 
alten Freunde unbedingt zur Verfügung. Er versprach, sofort bei Eröff- 
nung des Congresses das Königreich Sachsen ganz und allein an Preußen 
auszuliefern; ohne jede Frage habe Preußen das Recht seine neue Pro- 
vinz nach Belieben zu organisiren, wenngleich es wünschenswerth sei den 
alten sächsischen Namen und die Verfassung des Landes noch eine Zeit 
lang zu erhalten. Mitten in seinem herrischen Zorne erbot er sich also 
zu einer werthvollen bindenden Verpflichtung, während Oesterreich und 
England dem Berliner Hofe nur unbestimmte Verheißungen entgegenge- 
bracht hatten. 
Ein kluger Unterhändler mußte auf Grund dieser Zusage weiter 
gehen und eine klare Verständigung zu erwirken suchen. Schöler aber, 
allein beschäftigt mit der polnischen Frage, bemerkte die Gunst der Stunde 
nicht. Am 11. September rief ihn der Kaiser auf der Parade heran 
und entschuldigte sich mit warmen Worten wegen seiner Heftigkeit. Die 
Antwort des Gesandten war „ein kurzes und erbauliches Billet“, das er 
gleich nachher dem Czaren sandte. „Das Gefühl Seiner Erkenntlichkeit 
nur“ — so schrieb er — „hindert Ihren besten Freund, Sire, Seine 
Wünsche selbst laut werden zu lassen. Dagegen scheint es mir, daß 
es keine stärkere Aufforderung, als diese edle Nachgiebigkeit des Königs, 
für Ew. Kaiserliche Majestät geben könne, soweit es möglich ist die
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.