Theilung Sachsens. 661
Höchstwahrscheinlich hätte Preußen, einem so allgemeinen Widerstande
gegenüber, selbst in diesem letzten Stadium der sächsischen Frage nochmals
den Kürzeren gezogen, wenn man nicht doch noch zum Degen greifen
wollte. Jetzt aber zeigten sich die vortheilhaften Folgen jener vielgeschol—
tenen Schwenkung des Königs. Der Czar unterstützte fest und nachdrück-
lich jeden Anspruch seines Freundes, und da die Gegner, mit einziger
Ausnahme Frankreichs, den Krieg nicht ernstlich wollten, so haben sie
schließlich den meisten der preußisch-russischen Forderungen nachgegeben.
Talleyrand's Muse schwelgte wieder in freien Erfindungen, um die feste
Eintracht der beiden Mächte zu zersprengen. Da sollte Alexander ärger—
lich ausgerufen haben: „Ach, wenn ich mich nur nicht so tief eingelassen
hätte! Wenn ich nur mein Wort nicht gegeben hätte!“ — und was der
Anekdoten mehr war. Sehr möglich, daß Czartoryski seinem kaiserlichen
Freunde rieth die Preußen preiszugeben; Talleyrand selbst nannte den
Polen seinen nützlichsten Vermittler. Aber die Interessen, welche die
russische mit der preußischen Politik verbunden, waren stärker als Alexan—
der's Launen oder der Deutschenhaß seines sarmatischen Rathgebers: wurde
Preußen nicht vollständig entschädigt, so konnte Rußland die ersehnte Pros—
nagrenze nicht erlangen. Darum hielt der Czar treu zu seinem Freunde
und betrieb, wie Gentz erbost an Karadja schrieb, die preußischen Forde—
rungen ganz so eifrig wie seine eigenen. In dem gesammten Verlaufe
dieser letzten Verhandlungen ist es nicht ein einziges mal geschehen, daß
Rußland sich von Preußen getrennt hätte. Wenn der Czar schließlich
aus dem Streite größeren Vortheil zog als sein Verbündeter, so lag der
Grund nicht in irgend einer Treulosigkeit der Russen, sondern in der That—
sache, daß jetzt nur noch die preußischen, nicht mehr die russischen Ansprüche
durch Oesterreich und die Westmächte bestritten wurden. Lediglich der ver—
ständigen Politik des Königs war es zu verdanken, daß nach peinlichem
Streite die Saalepässe und die nordthüringischen Lutherlande, die Festungen
der Elblinie und Görlitz an Preußen kamen. Nur Leipzig wurde durch
die englische Handelspolitik hartnäckig vertheidigt. Als alle Einigungsver—
suche scheiterten, da entschloß sich Alexander auf Castlereagh's dringende
Vorstellungen endlich zu einem „Opfer“, das ihm hart ankam: er bot
(8. Febr.) zum Ersatz das feste Thorn und dessen Umgebungen.
Es war eine kümmerliche Entschädigung und doch ein Beweis für
Alexander's guten Willen. Seine Russen hatten sich in der Weichselfestung
längst häuslich eingerichtet und wollten dem Czaren diese Nachgiebigkeit
lange nicht verzeihen. Alles in Allem war das für das sächsische Volk
so schmerzliche Compromiß der Theilung des streitigen Landes, bei der
annähernden Gleichheit der Kräfte beider Parteien, das einzig mögliche Er-
gebniß, da man hüben wie drüben den Krieg scheute; und daß die Theilung
für Preußen so günstig ausfiel, daß der Albertiner die größere Hälfte
seines Gebietes abtreten mußte, ward allein möglich durch Rußlands Beistand.