Vorverhandlungen zwischen Oesterreich und Preußen. 685
und schwäbischen Kreise ausschließlich die Gebiete von Baiern und Würt—
temberg zuzuweisen; die sämmtlichen Kleinstaaten wurden der Führung
der drei sogenannten deutschen Großmächte, Oesterreich, Preußen, Eng—
land-Hannover untergeben. Diese sieben vormaligen Kurfürsten bilden
zusammen den Rath der Kreisobersten, der die executive Gewalt, die aus—
wärtige Politik und das Kriegswesen in seine Hand nimmt; kein Bundes—
staat darf selbständig mit dem Auslande unterhandeln. Der Kurfürsten—
rath des alten Reichs, der selbst in der Rheinbundsverfassung als Rath
der Könige fortbestanden hatte, sollte also mit erhöhter Macht wieder auf—
leben. Stein wollte, wie alle preußischen Staatsmänner, so weit noch
möglich zurückkehren auf den Rechtsboden, welchen die Fürstenrevolution
von 1803 geschaffen hatte. Das Directorium im Rathe der Kreisobersten
erhalten Oesterreich und Preußen gemeinschaftlich, dergestalt daß Oester—
reich wie vor Alters den Vorsitz führt, Preußen aber das eigentliche Direc—
torium, die Geschäftsleitung übernimmt, wie einst Kurmainz „Mund und
Feder“ des Regensburger Reichstags war. Die gesetzgebende Gewalt steht,
gemeinsam mit den Kreisobersten, dem Rathe der Fürsten und Stände
zu, der alle mindermächtigen Fürsten, die freien Städte und die Media-
tisirten umfaßt: jeder Stand, der ein Gebiet von mehr als 50,000 Köpfen
besitzt, erhält eine Stimme, gleichviel ob er noch Souverän heißt oder
nicht, die übrigen zusammen haben sechs Curiatstimmen.
Auf solche Weise wollte der Reichsritter den unglücklichen Opfern
des Staatsstreichs von 1806 gerecht werden ohne ihnen doch die Landes-
hoheit zurückzugeben. Er machte seine preußischen Freunde wiederholt darauf
aufmerksam, daß man die in ihrer Macht so ungleichen Mediatisirten
nicht alle auf gleichen Fuß behandeln dürfe;?) da sei das Gesammthaus
Hohenlohe mit 106,000 Seelen, Fürstenberg mit 83,000 und so abwärts
bis zu den Aspremonts, die ein Völkergewimmel von 195 Köpfen be-
herrschten. Den besten Theil des Entwurfs bildeten die Abschnitte über
die Rechte der Nation: in jedem Bundesstaate sollen Landstände bestehen
mit dem Rechte der Steuerbewilligung, der Vertretung der Landesrechte,
der Mitwirkung bei der Gesetzgebung; jedem Deutschen wird die Sicher-
heit des Eigenthums gewährleistet, desgleichen Preßfreiheit, das Recht der
Beschwerde, das Recht in andere deutsche Staaten auszuwandern und sich
auf jeder deutschen Lehranstalt zu bilden.
Als Hardenberg am 13. September in Baden bei Wien diesen Plan
mit Metternich besprach, zeigte sich sogleich, daß Oesterreich einen so aus-
führlichen Entwurf nicht wünschte. Die Hofburg war, wie Gentz seinem
Karadja gestand, von vornherein gesonnen in Wien nur die allgemeinen
Grundzüge der Bundesverfassung festzustellen, alles Weitere dem Frank-
furter Bundestage zu überlassen; mehr als das schlechthin Unerläßliche
*) Stein an Humboldt, 29. December 1814.