Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

686 II. 1. Der Wiener Congreß. 
wollte sie den Souveränen nicht zumuthen. Sodann verlangte Metter— 
nich, daß Oesterreich und Preußen mit allen ihren vormals „teutschen 
Ländern“ dem Bunde beiträten; nur die Wacht am Oberrhein wollte 
Oesterreich durchaus nicht wieder übernehmen. Hardenberg gab um so 
leichter nach, da durch Oesterreichs Vorschlag der Rechtsboden von 1803 
wiederhergestellt wurde. Mit Behagen erzählten die k. k. Diplomaten 
ihren Vertrauten, daß nunmehr der Kaiserstaat in allen Kriegsfällen, 
etwa die italienischen Händel ausgenommen, auf die Heeresfolge Deutsch- 
lands rechnen könne; lägen doch irgendwo in Galizien zwei alte schlesische 
Lehen, die sogenannten Herzogthümer Zator und Auschwitz, folglich sei 
der Deutsche Bund auch zur Vertheidigung des österreichischen Polens 
verpflichtet! Welche Provinzen der beiden Großmächte als teutsche Länder 
zu betrachten seien, das hatte freilich in jener confusio divinitus ordi- 
nata, die sich römisches Reich nannte, Niemand zu sagen gewußt, und 
auch jetzt kam man darüber nicht in's Klare; die Frage ward erst vier 
Jahre später, auf dem Papiere mindestens, entschieden. Sicher war nur, 
daß mit dem Eintritt der Hauptmasse Cisleithaniens jede ernsthafte Bundes- 
verfassung unmöglich wurde, und eben dahin ging Metternich's Absicht. 
Endlich stellte der österreichische Minister seinem preußischen Freunde 
eindringlich vor, wie schwerfällig das zweiköpfige Directorium sei; wie viel 
einfacher, wenn Oesterreich, das doch nicht auf alle seine alten Kaiserrechte 
verzichten könne, allein den Vorsitz übernähme; alle deutschen Geschäfte 
würden ja doch im Voraus vertraulich zwischen den beiden führenden 
Großmächten vereinbart werden; auch sei unter dem Präsidium „bloß 
eine formelle Leitung der Geschäfte zu verstehen"“. Hardenberg gab nach; 
er hatte den Plan Stein's von Haus aus nicht als ein festes Programm, 
sondern nur als einen Versuch betrachtet. Ebenso blind wie er einst in 
den Anfängen seiner diplomatischen Laufbahn an Frankreichs Freundschaft 
geglaubt hatte, vertraute er jetzt auf Oesterreich; er wollte die Möglichkeit 
eines Streites zwischen den beiden Mächten nicht mehr zugeben und be- 
merkte nicht, welchen Vortheil in solchem Falle das Recht des Vorsitzes 
bot.“) Da auch Münster sich auf das Entschiedenste gegen das zwei- 
köpfige Directorium erklärte, so wurde der preußische Entwurf nunmehr 
nach Oesterreichs Wünschen abgeschwächt und verkürzt, bis seine 41 Artikel 
  
*) Man hat oft behauptet, Metternich habe dem Staatskanzler mündlich die Thei- 
lung des Präsidiums für die Zukunft versprochen. Aber nicht nur ist für diese sonder- 
bare Vermuthung niemals irgend ein Beweis erbracht worden, sondern es liegen auch 
Actenstücke vor, welche zu dem entgegengesetzten Schlusse zwingen. Im Jahre 1816 
nämlich, unmittelbar vor Eröffnung des Bundestages, machte der Bundesgesandte von 
Hänlein auf eigene Hand den vergeblichen Versuch, nachträglich noch für Preußen einen 
Antheil am Präsidium zu erlangen. Es entspann sich darüber zwischen ihm und Har- 
denberg ein langer Briefwechsel, und in diesen sämmtlichen vertrauten Briefen, worin 
alle die Forderung Hänlein's unterstützenden Gründe ausführlich erörtert werden, ge- 
schieht einer österreichischen Zusage nirgends Erwähnung.
	        
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