Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Parteikampf im Fünfer-Ausschusse. 689 
erklärte Minister von Linden trocken, „widerspricht der Absicht, aus verschie— 
denen Völkerschaften, z. B. Preußen und Württembergern, so zu sagen 
eine Nation zu bilden!“ Dagegen zeigte der Stuttgarter Hof einen sehr 
verdächtigen Eifer für die Kriegsverfassung. Er wünschte, daß allein die 
Kreisobersten Mitglieder des Bundes werden, alle anderen Fürsten sich 
nur als untergebene Kreisstände „den fünf Mächten“ anschließen sollten, 
und verlangte vornehmlich Vergrößerung der südwestdeutschen Kreise, da- 
mit König Friedrich den ersehnten neuen Landgewinn auf einem Umwege 
erlangen und über vier Millionen mittelbarer oder unmittelbarer Unter- 
thanen das Schwert des Kreisobersten schwingen konnte. 
Die preußischen Bevollmächtigten führten den Kampf gegen dies un- 
würdige Treiben in erster Reihe; selbst Metternich sah nicht ohne Sorge, 
daß die zu Ried und Fulda gestreute Saat doch gar zu üppig auf- 
ging, und konnte nicht umhin seinen süddeutschen Schützlingen zuweilen 
zu widersprechen, namentlich wenn sie den Rechten seiner Standesge- 
nossen, der Mediatisirten zu nahe traten. Münster endlich ergriff begierig 
die Gelegenheit um das Licht der gerühmten welfischen Freiheit vor aller 
Welt leuchten zu lassen. Sein Prinzregent theilte soeben in einem hoch- 
müthigen Rundschreiben den europäischen Höfen die Gründung des König- 
reichs Hannover mit und stellte die fragwürdige Behauptung auf, „durch 
seine Verbindung mit Großbritannien habe das welfische Haus dem deut- 
schen Vaterlande vielfältig Schutz und Unterstützung angedeihen lassen.“ 
In dem gleichen prahlerischen Tone schrieb Münster eine Note zur Be- 
kämpfung der Doctrinen des württembergischen Sultanismus; er wies 
nach, daß die Rechte der Landstände durch die Sonveränität der kleinen 
Kronen keineswegs hinfällig geworden seien, und ward von der urtheils- 
losen öffentlichen Meinung wegen seiner edlen liberalen Gesinnung hoch 
gepriesen, während er doch in Wahrheit nur für das Ständewesen des 
hannoverschen Adelsregiments eine Lanze gebrochen hatte. Die Lage der 
Dinge im Fünfer-Ausschuß gestaltete sich bald so hoffnungslos, daß Stein 
im äußersten Unmuth den Czaren zu Hilfe rief. Alexander ließ mit 
warmen Worten seine Zustimmung zu den Vorschlägen der deutschen 
Großmächte aussprechen und mahnte die deutschen Staaten an die Ver- 
heißungen der Kalischer Proclamation. Der Stuttgarter Despot aber 
konnte die frevelhaften Angriffe auf die Vollgewalt seiner Rheinbunds- 
krone nicht länger mehr mit ansehen; „man wird sich bald schämen müssen 
ein Württemberger zu sein“ — hörte man ihn schelten. Am 16. November 
erklärte Württemberg seinen Austritt aus dem Rathe der Fünf und vor 
den Augen des spottenden Europas ging die deutsche Pentarchie an ihrer 
Uneinigkeit zu Grunde. 
Unterdessen hatten sich auch die kleinen Staaten geregt, mit Recht 
erbittert über die angemaßte Fünfherrschaft. Baden, das vergeblich Ein- 
laß in den Rath der Fünf verlangt hatte, überreichte an demselben 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 44
	        
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