Parteikampf im Fünfer-Ausschusse. 689
erklärte Minister von Linden trocken, „widerspricht der Absicht, aus verschie—
denen Völkerschaften, z. B. Preußen und Württembergern, so zu sagen
eine Nation zu bilden!“ Dagegen zeigte der Stuttgarter Hof einen sehr
verdächtigen Eifer für die Kriegsverfassung. Er wünschte, daß allein die
Kreisobersten Mitglieder des Bundes werden, alle anderen Fürsten sich
nur als untergebene Kreisstände „den fünf Mächten“ anschließen sollten,
und verlangte vornehmlich Vergrößerung der südwestdeutschen Kreise, da-
mit König Friedrich den ersehnten neuen Landgewinn auf einem Umwege
erlangen und über vier Millionen mittelbarer oder unmittelbarer Unter-
thanen das Schwert des Kreisobersten schwingen konnte.
Die preußischen Bevollmächtigten führten den Kampf gegen dies un-
würdige Treiben in erster Reihe; selbst Metternich sah nicht ohne Sorge,
daß die zu Ried und Fulda gestreute Saat doch gar zu üppig auf-
ging, und konnte nicht umhin seinen süddeutschen Schützlingen zuweilen
zu widersprechen, namentlich wenn sie den Rechten seiner Standesge-
nossen, der Mediatisirten zu nahe traten. Münster endlich ergriff begierig
die Gelegenheit um das Licht der gerühmten welfischen Freiheit vor aller
Welt leuchten zu lassen. Sein Prinzregent theilte soeben in einem hoch-
müthigen Rundschreiben den europäischen Höfen die Gründung des König-
reichs Hannover mit und stellte die fragwürdige Behauptung auf, „durch
seine Verbindung mit Großbritannien habe das welfische Haus dem deut-
schen Vaterlande vielfältig Schutz und Unterstützung angedeihen lassen.“
In dem gleichen prahlerischen Tone schrieb Münster eine Note zur Be-
kämpfung der Doctrinen des württembergischen Sultanismus; er wies
nach, daß die Rechte der Landstände durch die Sonveränität der kleinen
Kronen keineswegs hinfällig geworden seien, und ward von der urtheils-
losen öffentlichen Meinung wegen seiner edlen liberalen Gesinnung hoch
gepriesen, während er doch in Wahrheit nur für das Ständewesen des
hannoverschen Adelsregiments eine Lanze gebrochen hatte. Die Lage der
Dinge im Fünfer-Ausschuß gestaltete sich bald so hoffnungslos, daß Stein
im äußersten Unmuth den Czaren zu Hilfe rief. Alexander ließ mit
warmen Worten seine Zustimmung zu den Vorschlägen der deutschen
Großmächte aussprechen und mahnte die deutschen Staaten an die Ver-
heißungen der Kalischer Proclamation. Der Stuttgarter Despot aber
konnte die frevelhaften Angriffe auf die Vollgewalt seiner Rheinbunds-
krone nicht länger mehr mit ansehen; „man wird sich bald schämen müssen
ein Württemberger zu sein“ — hörte man ihn schelten. Am 16. November
erklärte Württemberg seinen Austritt aus dem Rathe der Fünf und vor
den Augen des spottenden Europas ging die deutsche Pentarchie an ihrer
Uneinigkeit zu Grunde.
Unterdessen hatten sich auch die kleinen Staaten geregt, mit Recht
erbittert über die angemaßte Fünfherrschaft. Baden, das vergeblich Ein-
laß in den Rath der Fünf verlangt hatte, überreichte an demselben
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. I. 44