Preußische Verordnung über die Volksrepräsentation. 701
die Hauptsätze des österreichischen December-Entwurfs unverändert ge—
blieben, so daß Wessenberg als der eigentliche Verfasser der deutschen Bun—
desacte betrachtet werden muß. Der liebenswürdige, feingebildete Breis—
gauer Baron zählte zu den freisinnigsten Politikern Oesterreichs; er hegte
sogar, wie sein Bruder, der den Römischen verhaßte Coadjutor, eine gewisse
Schwärmerei für das deutsche Vaterland. Aber in Sachen der deutschen
Politik konnte es unter den k. k. Staatsmännern keine Meinungsverschie—
denheit geben; wer dem Hause Oesterreich diente, mußte dem deutschen
Gesammtstaate den Charakter eines losen völkerrechtlichen Vereins zu ver-
leihen suchen, weil sonst der Kaiserstaat keinen Raum darin fand.
Tags zuvor, am 22. Mai hatte König Friedrich Wilhelm die folgen-
schwere Verordnung über die Repräsentation des Volks unterzeichnet. Die
preußischen Staatsmänner rechneten sich's zur Ehre, wie Humboldt oft
sagte, daß Niemand in Wien wärmer als sie für die Rechte der deutschen
Landstände eingetreten war. Wie durfte also Preußen zurückbleiben hinter
den süddeutschen Höfen, die bereits ihre Verfassungscommissionen ein-
berufen hatten? Wer hätte damals auch nur für denkbar gehalten, daß
die Einführung des Repräsentativsystems gerade in Preußen auf die
schwersten Hemmnisse stoßen und sich am längsten verzögern würde?
Mindestens eine feierliche Zusage schien unerläßlich; war doch Hardenberg
längst gewöhnt, sich durch hochtönende Versprechungen mit den harten
Pflichten des Gesetzgebers abzufinden. Auch der König war seit Ende
1808 für die constitutionellen Gedanken gewonnen und wünschte seinem
treuen Volke sogleich ein Zeichen dankbaren Vertrauens zu geben. Aber
mit welcher frevelhaften Fahrlässigkeit ging der Staatskanzler wieder zu
Werke! Er ließ den König versprechen, daß die Provinzialstände wieder-
hergestellt oder, wo sie nicht mehr beständen, neu eingeführt werden und
aus ihnen durch Wahl die allgemeine Landesrepräsentation hervorgehen
solle. So band er der absoluten Krone im Voraus die Hände, und dies
in cinem Augenblicke, da er selber über die provinzialständischen Rechte
jenes bunten Ländergemischs, das in den preußischen Staat neu eintrat,
nicht einmal oberflächlich unterrichtet war! Die öffentliche Meinung, dank-
bar für Alles was freisinnig hieß, nahm die königliche Verheißung mit
heller Freude auf, vornehmlich gefiel ihr die der Modeansicht entsprechende
Zusage einer schriftlichen Verfassungsurkunde. Bald genng sollte sich
herausstellen, daß Hardenberg einen schweren politischen Fehler begangen,
daß er das Unmögliche versprochen hatte. —
Dem tragischen Niedergange unserer vaterländischen Hoffnungen
durfte auch der Humor nicht fehlen. Das durch sieben Monate ver-
schleppte deutsche Verfassungswerk mußte zuletzt in athemloser, unbedachter
Hast über's Knie gebrochen werden. Als die so oft verheißenen Berathungen
Aller endlich eröffnet wurden, da hatte Gentz die Redaction der Schluß-
acte des Congresses schon nahezu beendigt; es galt zu eilen, wenn die