Die Berathungen Aller. 703
und wie ungünstig dies auch auf die allgemeine Stimmung einwirken
wird. Sollte dieser Entwurf durch eine Discussion, für welche der jetzige
Augenblick, in dem die schnelle allgemeine Uebereinkunft der vorherrschende
Gesichtspunkt ist, immer ungünstig bleibt, noch mehr geschwächt werden,
so ist kaum der mindeste günstige Erfolg der Verhandlungen in Frank—
furt abzusehen.“ Daher verlangt Preußen ein Ultimatum der drei Groß—
mächte an die deutschen Staaten; die drei Höfe nehmen sogleich an dem
Entwurfe die Abänderungen vor, welche nach dem Verlaufe der letzten
Conferenz unumgänglich scheinen, und erklären in der nächsten Sitzung:
weitere Aenderungen sind unzulässig, wir schließen den Bund ab mit allen
den Fürsten, welche diese Vorlage annehmen, über Einzelheiten mag dann
der Frankfurter Bundestag entscheiden. Die Beiden schlossen: verfahre
man also, dann würden die meisten Staaten sofort beitreten, einige erst
etwas später sobald sie sich überzeugten, daß der Bund auch ohne sie zu
Stande gekommen sei.
Also doch endlich wieder ein rasches kühnes Ergreifen des Moments,
nach der alten stolzen fridericianischen Weise! Wenn Oesterreich und Eng—
land-Hannover den preußischen Antrag annahmen, so war der Erfolg
sicher, so wurden das Bundesgericht, die schärfere Fassung des Artikels
über die Landstände und alles Gute, was Preußen sonst noch in den
österreichischen Entwurf hineingebracht hatte, für den Deutschen Bund
gerettet. Denn nur drei Wochen später ward die Schlacht von Belle
Alliance geschlagen, und wie hätten die Mittelstaaten dann noch wagen
dürfen dem Deutschen Bunde fern zu bleiben? Der Vorschlag Preußens
entsprach auch durchaus der wohlbegründeten Rechtsansicht, welche die
drei verbündeten Höfe im November den Cabinetten von Stuttgart und
Karlsruhe entgegengehalten hatten — der Ansicht, daß die Kleinstaaten
durch die Accessionsverträge verpflichtet waren dem Bunde beizutreten.
Jetzt aber kam an den Tag, daß jene kräftigen November-Noten für
Oesterreich und Hannover nur ein diplomatischer Schachzug gewesen
waren. Metternich wollte von jener strengen Rechtsansicht nichts mehr
wissen. Wie schon der Wessenbergische Entwurf die deutschen Fürsten
nur bescheiden „einlud“, nach Belieben in den Bund einzutreten, so
erklärte jetzt der österreichische Minister: irgend ein Zwang zum Ein—
tritt dürfe gegen die deutschen Souveräne niemals, auch nicht mittel—
bar angewendet werden! Was kümmerten ihn auch das Bundesgericht
und die Landstände — diese fixen Ideen der preußischen Politik, die man
in der Hofburg halb gleichgiltig halb mißtrauisch ansah? Sollte Oester-
reich wegen solcher Dinge sich die Freundschaft der Mittelstaaten ver-
scherzen?
Metternich lehnte den preußischen Vorschlag ab, und am 29. Mai
setzte man die Conferenzen in der alten chaotischen Weise fort. Die
Aussichten gestalteten sich immer düsterer, denn an diesem Tage wurde