Abschluß der Bundesverfassung. 709
massen der kirchlichen Verhandlungen blieb nichts übrig als ein dürftiger
Artikel, welcher anordnete was fast überall in Deutschland schon längst
zu Recht bestand: daß die Verschiedenheit der christlichen Religionsparteien
keinen Unterschied im Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte be—
gründen könne. Dann ging es zur Conferenz, und Metternich verkündete
„mit Vergnügen“, daß Baiern nur noch einige wenige Aenderungen
wünsche. Dies einige Wenige ward genehmigt, und nunmehr war man
wirklich zu Ende, denn was hätte an dieser Acte noch gestrichen werden
können? Am 10. Juni versammelte man sich noch einmal um die Bun-
desacte zu unterzeichnen und die Leiche der deutschen Einheit mit allen
diplomatischen Ehren feierlich zu verscharren. Wann sollte sie auferstehen?
Die ersten elf Artikel der vom 8. Juni datirten Urkunde wurden
noch, gerade vor Thorschluß, in die Schlußacte des Congresses eingefügt;
das siegreiche Deutschland hatte fortan alle Fürsten Europas, mit Aus-
nahme des Papstes und des Sultans, als die Garanten seines Grund-
gesetzes zu verehren. Auch die Proteste fehlten nicht, welche von Alters
her zu jeder großen deutschen Staatsaction gehörten. Die Mediatisirten
verwahrten allesammt ihre Rechte. Noch kühner erhoben die Fürsten von
Isenburg und Knyphausen ihr Hauptz sie betrachteten sich als Souveräne
und erklärten als solche ihren Beitritt zum Deutschen Bunde. Es war
vergeblich; den Bedürfnissen der deutschen Cultur, die ja nach der allge-
meinen Meinung in der schönen Mannigfaltigkeit unseres Staatslebens
ihre Wurzeln haben sollte, genügten achtunddreißig deutsche Mächte. Da
ergab sich plötzlich, daß noch ein neununddreißigster Souverän vorhanden
war, der Landgraf von Hessen-Homburg. Den hatte man ganz vergessen;
doch da der patriotische alte Herr und seine tapferen Söhne sich der be-
sonderen Gunst der beiden Großmächte erfreuten, so durften die Deut-
schen hoffen, daß der Bundestag sich seiner noch erbarmen würde. —
Am lautesten klagte der römische Stuhl. Cardinal Consalvi berief sich
in einer schwungvollen lateinischen Note auf jenen Nuntius Chigi, der
einst gegen den Westphälischen Frieden protestirt hatte, und legte Ver-
wahrung ein, weil weder das heilige römische Reich, dieser durch die
Heiligkeit des Glaubens geweihte Mittelpunkt der politischen Einheit, noch
die Macht der geistlichen Fürsten wieder hergestellt sei.
Nur damit der Bund gewiß das gesammte Deutschland umfasse
hatten die besser gesinnten Cabinette den letzten schweren Forderungen
Baierns nachgegeben, und dennoch war trotz allem Feilschen und Dingen
der Bund Aller nicht zu Stande gekommen. Wie einst Nordcarolina und
Rhode Island an der Begründung der zweiten Unionsverfassung Nordame-
rikas nicht theilnahmen, so blieben Baden und Württemberg der Stiftung
des Deutschen Bundes fern und traten erst bei als Napoleon's Sturz
zum zweiten male entschieden war: Baden am 26. Juli, Württemberg
am 1. September. —