Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

Abschluß der Bundesverfassung. 709 
massen der kirchlichen Verhandlungen blieb nichts übrig als ein dürftiger 
Artikel, welcher anordnete was fast überall in Deutschland schon längst 
zu Recht bestand: daß die Verschiedenheit der christlichen Religionsparteien 
keinen Unterschied im Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte be— 
gründen könne. Dann ging es zur Conferenz, und Metternich verkündete 
„mit Vergnügen“, daß Baiern nur noch einige wenige Aenderungen 
wünsche. Dies einige Wenige ward genehmigt, und nunmehr war man 
wirklich zu Ende, denn was hätte an dieser Acte noch gestrichen werden 
können? Am 10. Juni versammelte man sich noch einmal um die Bun- 
desacte zu unterzeichnen und die Leiche der deutschen Einheit mit allen 
diplomatischen Ehren feierlich zu verscharren. Wann sollte sie auferstehen? 
Die ersten elf Artikel der vom 8. Juni datirten Urkunde wurden 
noch, gerade vor Thorschluß, in die Schlußacte des Congresses eingefügt; 
das siegreiche Deutschland hatte fortan alle Fürsten Europas, mit Aus- 
nahme des Papstes und des Sultans, als die Garanten seines Grund- 
gesetzes zu verehren. Auch die Proteste fehlten nicht, welche von Alters 
her zu jeder großen deutschen Staatsaction gehörten. Die Mediatisirten 
verwahrten allesammt ihre Rechte. Noch kühner erhoben die Fürsten von 
Isenburg und Knyphausen ihr Hauptz sie betrachteten sich als Souveräne 
und erklärten als solche ihren Beitritt zum Deutschen Bunde. Es war 
vergeblich; den Bedürfnissen der deutschen Cultur, die ja nach der allge- 
meinen Meinung in der schönen Mannigfaltigkeit unseres Staatslebens 
ihre Wurzeln haben sollte, genügten achtunddreißig deutsche Mächte. Da 
ergab sich plötzlich, daß noch ein neununddreißigster Souverän vorhanden 
war, der Landgraf von Hessen-Homburg. Den hatte man ganz vergessen; 
doch da der patriotische alte Herr und seine tapferen Söhne sich der be- 
sonderen Gunst der beiden Großmächte erfreuten, so durften die Deut- 
schen hoffen, daß der Bundestag sich seiner noch erbarmen würde. — 
Am lautesten klagte der römische Stuhl. Cardinal Consalvi berief sich 
in einer schwungvollen lateinischen Note auf jenen Nuntius Chigi, der 
einst gegen den Westphälischen Frieden protestirt hatte, und legte Ver- 
wahrung ein, weil weder das heilige römische Reich, dieser durch die 
Heiligkeit des Glaubens geweihte Mittelpunkt der politischen Einheit, noch 
die Macht der geistlichen Fürsten wieder hergestellt sei. 
Nur damit der Bund gewiß das gesammte Deutschland umfasse 
hatten die besser gesinnten Cabinette den letzten schweren Forderungen 
Baierns nachgegeben, und dennoch war trotz allem Feilschen und Dingen 
der Bund Aller nicht zu Stande gekommen. Wie einst Nordcarolina und 
Rhode Island an der Begründung der zweiten Unionsverfassung Nordame- 
rikas nicht theilnahmen, so blieben Baden und Württemberg der Stiftung 
des Deutschen Bundes fern und traten erst bei als Napoleon's Sturz 
zum zweiten male entschieden war: Baden am 26. Juli, Württemberg 
am 1. September. —
	        
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