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In der Hofburg dagegen ward der italienische Kriegsschauplatz als so
hochwichtig angesehen, daß selbst Radetzky erklärte: Oesterreich müsse die
Schweiz zum Mittelpunkte seiner Operationen wählen, um mit der ita—
lienischen Armee in Verbindung zu bleiben. Auf der Halbinsel begann
es zu gähren. Die Mailänder fingen schon an, die übereilte Revolution
des vergangenen Frühjahrs zu bereuen, murrten über die Herrschaft des
bastone tedesco. Die phantastischen Manifeste Murat's, die von der
Einheit Italiens redeten, machten doch einigen Eindruck; auch die natür-
liche Theilnahme für den großen Landsmann, der soeben wieder die Wunder-
kraft des antico senno Italiens offenbart hatte, erwachte von Neuem.
Kaiser Franz hielt für nöthig, seinen Bruder Johann in das neue lom-
bardo-venetianische Königreich zu senden, denselben der vor sechs Jahren die
Italiener zuerst zur Freiheit aufgerufen hatte. Der Erzherzog ließ es an
Biederkeit und guten Worten nicht fehlen, doch machte er auf die menschen-
kundigen Südländer einen sehr ungünstigen Eindruck. Der Wiener Hof
fühlte sich seines adriatischen Besitzes keineswegs sicher. Dazu die alte,
auch von Knesebeck getheilte Vorliebe der k. k. Generale für gesuchte und
weitläufige Bewegungen, endlich und vor Allem der dringende Wunsch
die Gefahren des Krieges den Verbündeten zuzuschieben, damit Oesterreich
bei dem schwierigen Friedensschlusse mit ungebrochener Kraft dastände.
Aus Alledem ergab sich ein ungeheuerlicher Kriegsplan, der selbst
die Künsteleien von 1814 noch überbot: in den Niederlanden 210,000
Mann unter Blücher und Wellington, am Mittelrhein Barclay de Tolly
mit 150,000 Russen, am Oberrhein und in der Schweiz 200,000 Oester-
reicher, in Piemont endlich eine Armee von 60,000 Mann — eine Trup-
penmasse, die bis zu Ende Juli noch durch einen Nachschub von 170,000
Mann auf 800,000 Mann verstärkt wurde und dann dem Feinde um das
Dreifache überlegen war. Als das nächste Ziel der Operationen dachte
sich Schwarzenberg nicht Paris, sondern Lyon. Von Napoleon aber stand
mit Sicherheit zu vermuthen, daß er sich auf den zunächst stehenden Feind,
auf das niederländische oder das mittelrheinische Heer stürzen würde; die k. k.
Truppen waren also vor der Faust des Gefürchteten sicher. Da nach dem
österreichischen Plane die Russen sogleich in die erste Reihe der Kämpfer
einrücken sollten, so verlangte Schwarzenberg die Vertagung des Ein-
marschs bis zum 16., dann zum 27. Juni, endlich gar bis zum 1. Juli.
Obgleich alle anderen Mächte es hochbedenklich fanden dem rastlosen Feinde
ein volles Vierteljahr Frist zu schenken, so behält doch in einem Coalitions-
kriege der Zaudernde immer Recht. Oesterreich behauptete hartnäckig, seine
Rüstungen nicht eher beendigen zu können, und so mußte denn am 19. April
der große Kriegsrath der Coalition zu Wien die Vorschläge der Hofburg
im Wesentlichen annehmen, in die Verspätung der Operationen willigen.
Die diplomatische Welt, und Hardenberg mit ihr, glaubte bestimmt, die
Entscheidung würde im Centrum der verbündeten Heere fallen. Der Armee