726 II. 2. Belle Alliance.
erscholl. Das Wehrgesetz und die Gebietserwerbungen machten eine Neu—
bildung eines großen Theiles der Truppenkörper nothwendig; noch auf
dem niederländischen Kriegsschauplatze mußten einzelne Bataillone von
ihren alten Regimentern abgetrennt werden. Die gesammte Reiterei
wurde neu formirt, der Artillerie fehlte die Mannschaft; Blücher hatte
für seine 304 Kanonen nur 5303 Mann, bei einem Armeecorps gar nur
11 Mann für das Geschütz, während das Reglement 30 Mann auf das
Geschütz rechnete. Die Mehrzahl der Linientruppen, die bis zum Ende
des vorigen Jahres noch am Rhein gestanden, hatte der Kriegsminister erst
vor Kurzem in die östlichen Provinzen zurückverlegt, theils weil er die
schwer heimgesuchten Rheinländer der Einquartierung entlasten wollte,
theils weil er einen Krieg mit Oesterreich befürchtete. Als nun plötzlich
das Unwetter im Westen aufstieg und der König der Niederlande dringend
um sofortige Hilfe bat, da mußte man was am nächsten zur Hand war
auf den Kriegsschauplatz werfen. Die 116,000 Mann, die sich in Belgien
versammelten, waren zur Hälfte Landwehren, und von diesen wieder be-
stand ein großer Theil, die Elblandwehr, aus Truppen der neuen, vor-
mals westphälischen Provinzen — Mannschaften, die sich erst in den preu-
ßischen Dienst einleben mußten: hatten doch Manche darunter vor Kurzem
noch unter Napoleon gefochten.
Den Oberbefehl über die Feldarmee hatte der König schon im März
seinem greisen Feldmarschall wieder übertragen; auch Gneisenau übernahm
wieder die schwere Vertrauensstellung an Blücher's Seite. Um der Wieder-
kehr der gehässigen Streitigkeiten zwischen den Führern vorzubeugen, wurde
das Commando der drei ersten Armeecorps, welche den belgischen Feldzug
eröffnen sollten, den Generalen Zieten, Borstell und Thielmann anvertraut,
die alle drei im Dienstalter hinter Gneisenau standen. Bülow erhielt das
vierte Corps, das als Reserve dienen sollte; so kam der Eigensinnige
nicht zu häufig mit seinem Gegner Gneisenau in Berührung. Das nord-
deutsche Bundesarmeecorps, das sich am deutschen Niederrhein, im Rücken
der Blücher'schen Armee versammelte, wurde unter Kleist's Befehle ge-
stellt, dessen mildes und gehaltenes Wesen sich für die diplomatischen
Aufgaben eines Bundesfeldherrn besonders eignete. York und Tauentzien
endlich erhielten das Commando der beiden Armeecorps in den östlichen
Provinzen. General Grolman trat selbst als Generalquartiermeister in
Blücher's Hauptquartier ein und wies den Corpsführern der belgischen
Armee vier seiner fähigsten Offiziere, Reiche, Aster, Clausewitz und Valen-
tini als Stabschefs zu. Der Held von Wartenburg fühlte sich in tiefster
Seele gekränkt, forderte nochmals seinen Abschied, wollte in dieser Ver-
theilung der Rollen nichts sehen als eine Parteigehässigkeit des „Tugend-
bundes“. Wie Jork dachten alle die alten militärischen Gegner der Re-
formpartei; sie klagten, durch Boyen und Grolman kämen die Phantasten
und Demagogen in der Armee obenauf. Am Hofe begann wieder das