Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

736 II. 2. Belle Alliance. 
Archive und Registraturen anbefohlen wurde; man ging so weit, sogar 
Rechnungs-Ablegung von dem General-Gouvernement zu verlangen. Das 
Dresdner Geheime Consilium behauptete in einem höchst possirlichen band— 
wurmartigen Schriftstücke') „die Ohnmöglichkeit, ohne allseitiges Einver- 
ständniß“ die Theilung durchzuführen, und berief sich auf die Parlaments- 
reden „des bei der Abfassung der Wiener Protocolle selbst mitgewirkten Lord 
Castlereagh“. Alles vergeblich; sogar der Name des selbst mitgewirkten 
Lords machte auf den Staatskanzler keinen Eindruck. Hardenberg befahl, 
mit Strenge vorzugehen; die Theilung sei durch die Mächte unwiderruflich 
beschlossen, von einer Rechenschaft über die Verwaltung eines eroberten 
Landes „könne gar nicht die Rede sein“.“*) Das Land blieb also vor- 
läufig in Preußens Besitz, alle für die definitive Theilung erforderlichen 
Vorbereitungen wurden vollzogen; das Zaudern des alten Königs bewirkte 
nur einige unfruchtbare Zänkereien. Den sächsischen Legitimisten aber ist 
niemals ein Schimmer der Selbsterkenntniß aufgegangen, auch als sie 
endlich die Früchte ihres Thuns vor Augen sahen; sie haben nie begriffen, 
daß sie selber durch ihre Gehässigkeit gegen Preußen redlich mitgeholfen 
hatten zu der vielbeweinten Theilung des Landes. 
Für die kleine sächsische Armee sollte der Starrsinn Friedrich August's 
verhängnißvoll werden. Der Kriegsherr als Gefangener in Preußens 
Händen, und seine Soldaten als Bundesgenossen im Lager der Alliirten, 
in diesem schiefen und unwahren Verhältniß waren die bedauernswerthen 
Regimenter durch anderthalb Jahre verblieben. Ihr Unstern wollte, daß 
sie an dem Kriegsruhm der Verbündeten fast keinen Antheil gewannen; 
die Anschauungen des preußischen Heeres blieben diesen altgedienten Be- 
rufssoldaten ganz fremd, der Name Landwehr galt hier als Schimpfwort. 
Nach dem Frieden standen sie lange in Westdeutschland, der Heimath 
fern, doch von Dresden aus beständig durch Briefe und Sendboten be- 
arbeitet. Die anhaltende Ungewißheit über die Zukunft des Landes rief 
Parteiungen im Offizierscorps hervor. Eine Adresse zu Gunsten des ge- 
fangenen Königs wurde eingereicht, unter lebhaftem Widerstreben der 
preußischen Vorgesetzten. Die Legitimisten wollten das grüne Kreuz, eine 
von dem russischen Gouvernement gestiftete Auszeichnung, nicht mehr auf 
der Brust ihrer Kameraden dulden; in Coblenz kam es zu gewaltsamen 
Auftritten zwischen Görres und sächsischen Offizieren. Die Mannschaft 
begann irr zu werden an ihren Führern; sie fühlte sich wie verrathen 
und verkauft, da selbst der gemeine Soldat merkte, daß die plötzliche Ver- 
legung des Armeecorps in die Nähe preußischer Garnisonen politische 
Gründe hatte. Aller Unsegen des Parteikampfes brach über die Truppen 
herein. Wer billig urtheilt, wird sich nur darüber verwundern, daß in 
  
*) v. 31. März, eingetragen als „Nr. 6 der ausländischen Registrande“. 
*“) Weisungen an das General-Gouvernement v. 24. u. 27. März 1815.
	        
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