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Kürassiere müssen gleich darauf vor dem Feuer eines preußischen Ba-
taillons umkehren; lachend sehen die Westphalen mit an, wie die schweren.
Reiter sich unter ihren gefallenen Pferden hervorwinden und, den Küraß
mit beiden Händen haltend, zu Fuß das Weite suchen. Die Ulanen
und die Landwehrreiter sammeln sich wieder, dringen von Neuem vor-
wärts; herüber und hinüber fluthen die Massen der Kämpfer. Mitten in
dem wilden Getümmel trabt Gneisenau, zieht den Säbel, sagt fröhlich zu
Major Bardeleben, der wehrlos, den Arm in der Binde, neben ihm reitet:
„halten Sie sich nur an mich; ein Hundsfott, wenn ich Sie nicht heraus-
haue!“ Zugleich drängen sich die aus Ligny vertriebenen Regimenter gegen
Brye zurück, langsam, unablässig feuernd, aber in ungeordneten Schwär-
men. Die Mitte der Schlachtstellung ist schon nahezu durchbrochen.
Auch St. Amand la Haye wird endlich geräumt; unaufhaltsam dringt
der Feind gegen die Höhe von Bussy. Kurz vor Einbruch der Nacht
braust ein Gewitter über das Schlachtfeld; das Rollen des Donners und
das Geheul des Sturmes übertäubt während einer halben Stunde den
Lärm der Schlacht. Doch mitten in der Finsterniß des Unwetters tobt
der Kampf weiter; die erschöpften Soldaten athmen auf bei dem frischen
Luftzuge. Die Geschlagenen sammeln sich um Brye und den Hügel von
Bussy, das Vorrücken des Feindes geräth hier in's Stocken. Währenddem
war der Feldmarschall verschwunden. Schon bei jener ersten Attake der
Ulanen hatte eine Kugel sein Pferd getroffen, und er lag nun lange
fast bewußtlos unter dem schweren Thiere; ohne ihn zu bemerken stürmten
Freund und Feind mehrmals dicht an ihm vorüber, nur sein getreuer
Adjutant Graf Nostitz hielt bei ihm aus, bis endlich Major v. d. Busche
von den Elb-Landwehrreitern herbeikam und den Betäubten auf einem
Soldatenpferde hinwegführte. Aber in der Verwirrung der Nacht ver-
gingen mehrere Stunden bevor die Rettung des Feldherrn bekannt wurde.
Die Führung des Heeres lag für jetzt allein auf den Schultern
Gneisenau's, der eine Weile schweigend in der Nähe von Brye hielt. Die
ihn so sahen in seiner majestätischen Ruhe ahnten nicht, welche schweren
Gedanken ihm Kopf und Herz bestürmten. Er hatte, wie Blücher und
Grolman, der Zusage Wellington's volles Vertrauen geschenkt, noch vor
einer Stunde sicher auf den Sieg gerechnet und dachte mit Unmuth an
den englischen Feldherrn, der sein Wort so schlecht gehalten. Was schien
natürlicher, als dem Beispiel des Briten zu folgen, nur für die Sicherheit
des eigenen Heeres zu sorgen und den gefahrlosen Weg nach der deutschen
Grenze einzuschlagen? Die alte Römerstraße, die im Rücken des Schlacht-
feldes nordostwärts in das Maasthal führte, bot den Geschlagenen die
bequemste Rückzugslinie; hier mußte man bald mit Bülow, der von Osten
herankam, zusammentreffen und konnte später Verstärkungen aus Deutsch-
land an sich ziehen. Unwillkürlich hatte bereits ein Theil der Truppen
diesen Weg eingeschlagen, der auf den ersten Blick als der einzig mög-