Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

746 II. 2. Belle Alliance. 
Kürassiere müssen gleich darauf vor dem Feuer eines preußischen Ba- 
taillons umkehren; lachend sehen die Westphalen mit an, wie die schweren. 
Reiter sich unter ihren gefallenen Pferden hervorwinden und, den Küraß 
mit beiden Händen haltend, zu Fuß das Weite suchen. Die Ulanen 
und die Landwehrreiter sammeln sich wieder, dringen von Neuem vor- 
wärts; herüber und hinüber fluthen die Massen der Kämpfer. Mitten in 
dem wilden Getümmel trabt Gneisenau, zieht den Säbel, sagt fröhlich zu 
Major Bardeleben, der wehrlos, den Arm in der Binde, neben ihm reitet: 
„halten Sie sich nur an mich; ein Hundsfott, wenn ich Sie nicht heraus- 
haue!“ Zugleich drängen sich die aus Ligny vertriebenen Regimenter gegen 
Brye zurück, langsam, unablässig feuernd, aber in ungeordneten Schwär- 
men. Die Mitte der Schlachtstellung ist schon nahezu durchbrochen. 
Auch St. Amand la Haye wird endlich geräumt; unaufhaltsam dringt 
der Feind gegen die Höhe von Bussy. Kurz vor Einbruch der Nacht 
braust ein Gewitter über das Schlachtfeld; das Rollen des Donners und 
das Geheul des Sturmes übertäubt während einer halben Stunde den 
Lärm der Schlacht. Doch mitten in der Finsterniß des Unwetters tobt 
der Kampf weiter; die erschöpften Soldaten athmen auf bei dem frischen 
Luftzuge. Die Geschlagenen sammeln sich um Brye und den Hügel von 
Bussy, das Vorrücken des Feindes geräth hier in's Stocken. Währenddem 
war der Feldmarschall verschwunden. Schon bei jener ersten Attake der 
Ulanen hatte eine Kugel sein Pferd getroffen, und er lag nun lange 
fast bewußtlos unter dem schweren Thiere; ohne ihn zu bemerken stürmten 
Freund und Feind mehrmals dicht an ihm vorüber, nur sein getreuer 
Adjutant Graf Nostitz hielt bei ihm aus, bis endlich Major v. d. Busche 
von den Elb-Landwehrreitern herbeikam und den Betäubten auf einem 
Soldatenpferde hinwegführte. Aber in der Verwirrung der Nacht ver- 
gingen mehrere Stunden bevor die Rettung des Feldherrn bekannt wurde. 
Die Führung des Heeres lag für jetzt allein auf den Schultern 
Gneisenau's, der eine Weile schweigend in der Nähe von Brye hielt. Die 
ihn so sahen in seiner majestätischen Ruhe ahnten nicht, welche schweren 
Gedanken ihm Kopf und Herz bestürmten. Er hatte, wie Blücher und 
Grolman, der Zusage Wellington's volles Vertrauen geschenkt, noch vor 
einer Stunde sicher auf den Sieg gerechnet und dachte mit Unmuth an 
den englischen Feldherrn, der sein Wort so schlecht gehalten. Was schien 
natürlicher, als dem Beispiel des Briten zu folgen, nur für die Sicherheit 
des eigenen Heeres zu sorgen und den gefahrlosen Weg nach der deutschen 
Grenze einzuschlagen? Die alte Römerstraße, die im Rücken des Schlacht- 
feldes nordostwärts in das Maasthal führte, bot den Geschlagenen die 
bequemste Rückzugslinie; hier mußte man bald mit Bülow, der von Osten 
herankam, zusammentreffen und konnte später Verstärkungen aus Deutsch- 
land an sich ziehen. Unwillkürlich hatte bereits ein Theil der Truppen 
diesen Weg eingeschlagen, der auf den ersten Blick als der einzig mög-
	        
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