Treffen von Quatrebras. 749
tapferen elsaß-lothringischen Landsmann Kellermann, wieder wie einst bei
Marengo durch einen wuchtigen Reiterangriff den Ausschlag zu geben;
Frankreichs ganze Zukunft stehe auf dem Spiele. Auch dieser dritte Ver-
such scheiterte, vornehmlich an der Festigkeit der englischen Veteranen Pic-
ton's, die, wie einst ihre Vorfahren bei Minden, das Gewehr zur Attake
rechts nahmen und mit dem Bajonett den Reitern zu Leibe gingen. In-
dessen nahmen Alten's tapfere Regimenter den Wald von Bossu, und auf
der Brüsseler Straße zogen neue Reserven heran: die englischen Garden
und die letzten Braunschweiger. Wellington verfügte jetzt über mehr als
30,000 Mann gegen 21,000. Als die Dämmerung hereinbrach, war seine
ganze Linie im langsamen Vorgehen, freilich nur eine kleine Strecke weit;
die Schlacht endete fast auf der nämlichen Stelle wo sie begonnen.
Ein seltsamer Glücksfall kam dem englischen Feldherrn zu gute. Das
Corps des Generals Erlon war der Armee Ney's zugetheilt, aber am
Nachmittage, noch bevor Erlon an dem Treffen von Quatrebras theil-
nehmen konnte, durch Napoleon nach dem Schlachtfelde von Ligny abbe-
rufen worden; die Regimenter langten in der That schon in der Nähe
des rechten Flügels der Preußen an, als Ney sie nach Quatrebras zurück-
rief. So irrte dies Corps, das leicht gegen Wellington den Ausschlag
geben konnte, während des Nachmittags zwischen den beiden Schlachtfeldern
hin und her und vereinigte sich erst am Abend, als das Treffen bereits
entschieden war, mit Ney's Armee. Der Marschall hatte, wenngleich er
den unmöglichen Zumuthungen des Imperators nicht genügen konnte, doch
einen werthvollen Erfolg erreicht: die Vereinigung der beiden Heere der
Coalition war vorläufig verhindert. Wellington aber sprach mit unerquick-
lichem Hochmuthe von seinem wahrlich bescheidenen Siege; „wir haben
geschlagen, die Preußen sind geschlagen“ — wiederholte er mehrfach. Da
er Napoleon's Pläne noch immer nicht durchschaute, noch am 17. ja selbst
am 18. Juni eine Umgehung von Westen her für möglich hielt, so konnte er
auch nicht begreifen, daß er selber das ganze heillose Wirrsal dieser un-
nöthigen Doppelschlacht hervorgerufen, und fand kein Wort der Dankbar-
keit für die Preußen, deren uneigennützige Aufopferung ihm doch allein
die Annahme des Gefechts bei Quatrebras ermöglicht hatte. —
Spät in der Nacht wurde Blücher von seinen Generalstabsoffizieren
in einem Bauernhause zu Mellery, auf dem Wege nach Wavre, ausge-
funden. Ruhig seine Pfeife rauchend lag der Alte auf der Streu; er
fühlte sich an allen Gliedern zerschlagen von dem schweren Sturze, doch
seine frohe Zuversicht war nicht gebrochen. Unbedenklich genehmigte er die
Anordnungen seines Freundes; die Beiden hatten sich so ganz in einan-
der eingelebt, daß Gneisenau sicher war stets aus der Seele des Feldmar-
schalls heraus zu beschließen. Am Morgen ritt der Feldherr dem Heere
voraus nach Wavre; die Soldaten jubelten sobald sie des Geretteten an-
sichtig wurden, und antworteten mit einem fröhlichen Ja als er im Vor-