Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

750 II. 2. Belle Alliance. 
überreiten fragte, ob sie morgen wieder schlagen wollten. Auf den Sonnen— 
brand von gestern folgte ein grauer schwüler Tag mit vereinzelten Ge— 
witterschauern, dann am Abend strömender Regen, die ganze Nacht hin— 
durch. Mühsam wateten die Soldaten, die nun seit drei Tagen im Marsch 
oder im Gefechte gewesen, in dem aufgeweichten schweren Boden und schoben 
die Räder der Kanonen durch den tiefen Schlamm. Auf der Beiwacht war 
der Schlaf fast unmöglich, und doch blieb der frohe Muth unverwüstlich; 
am Morgen des 18. sah man die schlesischen Füsiliere nach den Klängen der 
Feldmusik einen lustigen Walzer tanzen. Ein warmer Aufruf des Feldmar— 
schalls mahnte die Truppen ihre letzte Kraft aufzubieten für den neuen Kampf: 
„vergesset nicht, daß Ihr Preußen seid, daß Sieg oder Tod unsere Losung ist!“ 
In seinem Berichte an den König sprach Gneisenau offen die An— 
klage aus, daß Wellington „wider Vermuthen und Zusage“ seine Armee 
nicht rechtzeitig concentrirt habe, und in vertrauten Briefen äußerte er 
sich noch weit schärfer. Jedoch in dem veröffentlichten Berichte des Blü- 
cherschen Hauptquartiers wurde die peinliche Frage schonend übergangen, 
und auch nach dem Kriege verschmähte Gneisenau, um der Bundesfreund- 
schaft willen, hochherzig jeden Federkrieg, obgleich die unaufrichtigen Er- 
zählungen des Briten sein reizbares militärisches Ehrgefühl geradezu zum 
Widerspruche herausforderten. Erst zwanzig Jahre später wurde durch 
ein nachgelassenes Geschichtswerk von Clausewitz, der unzweifelhaft die 
Mittheilungen seines Freundes Gneisenau benutzt hatte, die geheime Ge- 
schichte dieses Feldzuges aufgeklärt. In jenem Augenblicke vollends lag 
dem kühnen Manne nichts ferner als unfruchtbares Hadern um ver- 
gangene Fehler; er meldete dem Könige, eine Schlacht mit getheilten Kräften 
sei jetzt nicht mehr möglich, und traf sofort seine Vorbereitungen für die 
Vereinigung mit dem englischen Heere. Die Stimmung im Hauptquar- 
tiere ward mit jeder Stunde zuversichtlicher, da die zuwartende Haltung 
des Feindes deutlich bewies, daß das Ergebniß des 16. Juni zwar eine 
verlorene Schlacht, aber keine Niederlage war. Blücher fühlte sich des 
Erfolges völlig sicher; er wollte, falls Napoleon die Engländer nicht an- 
griffe, selber mit Wellington vereint dem Feinde alsbald die Schlacht an- 
bieten und hieß das wilde Regenwetter, „unseren alten Alliirten von der 
Katzbach“, hochwillkommen. Der russische Militärbevollmächtigte Toll kam 
übel an, als er für nöthig hielt diese stolzen Preußen zu trösten und be- 
schwichtigend sagte, die große Armee unter Schwarzenberg werde alles 
wieder gut machen. Blücher's Adjutant Nostitz erwiderte scharf: „ehe Sie 
zu Ihrem Kaiser zurückkehren, ist entweder der belgische Feldzug ganz ver- 
loren oder wir haben die zweite Schlacht gewonnen, und dann brauchen 
wir Eure große Armee nicht mehr!“ 
Auf Blücher's Anfrage erklärte sich der englische Feldherr bereit, am 
18. an der Brüsseler Straße eine neue Schlacht anzunehmen, wenn er 
auf die Hilfe von etwa 25,000 Preußen zählen könne. Der Alte erwiderte,
	        
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