Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

752 II. 2. Belle Alliance. 
Rheine zu, und hielt nicht einmal für nöthig ihren Rückzug beobachten 
zu lassen. Stand es also wie er wähnte, dann blieb ihm freilich Zeit 
vollauf um das englische Heer zu schlagen. Gemächlich ließ er seine 
Truppen am Vormittag des 17. rasten. Seine Gedanken weilten mehr 
in Paris als bei dem Heere; er fragte seine Generale, was wohl die Ja— 
cobiner nach diesem neuen Siege des Kaiserreichs thun würden. Erst 
um Mittag befahl er dem Marschall Grouchy den Preußen zu folgen, 
in der Richtung ostwärts nach Gembloux und der Maas, sie nicht aus 
den Augen zu lassen und ihre Niederlage zu vollenden; für diesen 
Zweck gab er dem Marschall 33,000 Mann, eine Macht zu stark für ein 
Beobachtungscorps, zu schwach um eine Schlacht gegen das gesammte 
preußische Heer zu wagen. Grouchy zog während der zweiten Hälfte des 
Tages nach Osten in die Irre ohne der Preußen gewahr zu werden. 
Erst am Morgen des 18. fand er ihre Spur und wendete sich gegen 
Wavre: aber von Gneisenau's Plänen ahnte er nichts, sondern vermuthete 
nunmehr die preußische Armee auf dem Rückzuge nach Brüssel. Er so 
wenig wie sein Kaiser hielt für denkbar, daß ein geschlagenes Heer sich 
sogleich nach der Schlacht wieder ordnen und zu einem neuen Angriffe 
rüsten könnte. Der Gedanke sich zwischen die beiden Heere der Coalition 
einzuschieben, kam dem Imperator jetzt nicht mehr in den Sinn, da die 
Möglichkeit des Rückzuges der Preußen nach Norden durchaus außerhalb 
seiner Berechnung lag. Er selber vereinigte sich am Nachmittage des 
17. in der Nähe von Quatrebras mit der Armee Ney's, zog dann in 
voller Sicherheit nordwärts auf der Brüsseler Straße den Engländern 
nach, um sie morgen oder übermorgen diesseits oder jenseits von Brüssel 
zur Schlacht zu zwingen. 
So verworren und unfertig die Doppelschlacht am 16. Juni verlaufen 
war, ebenso einfach großartig gestaltete sich der Gang der Ereignisse am 18. 
Wellington hatte mit Kennerblick eine feste defensive Stellung gewählt, 
wie er sie von Spanien her liebte. Sein Heer hielt auf einem lang- 
gestreckten niederen Höhenzuge, der von Westen nach Osten streichend, 
etwa in der Mitte, bei dem Dorfe Mont St. Jean von der wohlge- 
pflasterten Brüsseler Landstraße senkrecht durchschnitten wird. Auf diesem 
engen Raume von kaum 5000 Schritt Länge standen die Truppen dicht 
zusammengedrängt, mehr als 30,000 Deutsche, 24,000 Engländer, über 
13,000 Niederländer, zusammen 68,000 Mann, auf der Rechten Lord 
Hill, im Centrum der Prinz von Oranien, auf dem linken Flügel General 
Picton. Ein tief eingeschnittener, von Hecken eingefaßter Querweg lief 
die Front entlang. Im Rücken des Heeres fiel der Boden sanft ab, 
so daß die Mehrzahl der Regimenter dem anrückenden Feinde verborgen 
blieb; weiter nördlich lag an der Landstraße der lichte, von zahlreichen 
Wegen durchzogene Wald von Soignes, der für den Fall des Rückzugs 
eine gute Deckung bot. Der Herzog blieb während vieler Stunden im
	        
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