Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Erster Teil. Bis zum zweiten Pariser Frieden. (24)

758 II. 2. Belle Alliance. 
waren schon herangezogen bis auf den letzten Mann, und La Haye Sainte, 
die beherrschende Position dicht vor dem Centrum, blieb in den Händen 
des Feindes. Mittlerweile konnte auch der tapfere Bernhard von Weimar 
auf dem linken Flügel die Vorwerke La Haye und Papelotte gegen die 
Division Durutte nicht mehr behaupten. Er begann zu weichen. Welling— 
ton's Besorgniß stieg. Schon seit mehreren Stunden hatte er wiederholt 
Adjutanten an Blücher gesendet mit der dringenden Bitte um Hilfe. Kalt 
und streng stand er unter seinen Offizieren, die Uhr in der Hand, und 
sagte: „Blücher oder die Nacht!“ Wenn Napoleon jetzt im Stande war 
seine Garde gegen Mont St. Jean oder gegen den erschütterten linken 
Flügel der Engländer zu verwenden, so konnte ihm der Sieg nicht fehlen. 
In diesem verhängnißvollen Zeitpunkte begann der Angriff der Preu— 
ßen. Bereits klang fern vom Osten her, beiden Theilen vernehmlich, Ka— 
nonendonner nach dem Schlachtfelde hinüber — die erste Kunde von dem 
Gefechte, das sich bei Wavre, im Rücken der Blücher'schen Armee, zwischen 
Thielmann und Grouchy entspann. Um die nämliche Zeit fiel vor dem 
Walde bei Frichemont der erste Schuß. Es war ½5 Uhr Nachmittags; 
gerade fünf Stunden lang hatte die Armee Wellington's den Kampf allein 
aushalten müssen. Bülow's Batterien fuhren staffelförmig auf den Höhen 
vor dem Walde auf. Ein einzig schönes Schauspiel, wie dann die Bri- 
gaden des vierten Corps mit Trommelklang und fliegenden Fahnen nach 
einander aus dem Gehölz heraustraten und zwischen den Batterien hin- 
durch sich in die Ebene gegen Plancenoit hinabsenkten. Gneisenau fühlte 
sich in seinem ewig jungen Herzen wie bezaubert von der wilden Poesie 
des Krieges und unterließ selbst in seinem amtlichen Schlachtberichte nicht 
zu schildern, wie herrlich dieser Anblick gewesen sei. 
Der Held von Dennewitz that sein Bestes um die Fehler vom 15. 
und 16. Juni zu fühnen, leitete den Angriff mit besonnener Kühnheit 
wie in den großen Zeiten der Nordarmee. Gleich im Beginne des Ge- 
fechts fiel der allbeliebte Oberst Schwerin, derselbe, der vor einem Jahre 
der Hauptstadt die Siegesbotschaft gebracht hatte. Das Corps Lobau's 
ward zurückgedrängt, unaufhaltsam drangen die Preußen vorwärts auf 
Plancenoit. Etwas später, um 6 Uhr hatte General Zieten mit der Spitze 
des ersten Corps Ohain erreicht und ging dann, sobald er von der Be- 
drängniß des englischen linken Flügels unterrichtet war, rasch auf die 
Vorwerke La Haye und Papelotte vor, wo die Division Durutte sich soeben 
eingenistet hatte. Prinz Bernhard von Weimar rettete die Trümmer seiner 
Truppen, als die preußische Hilfe herankam, rückwärts in den schützenden 
Wald von Soignes; seine tapferen Nassauer waren durch das lange, 
ungleiche Gefecht völlig kampfunfähig geworden. Die Brigade Steinmetz 
warf nun die Franzosen aus den beiden Vorwerken wieder hinaus, die 
brandenburgischen Dragoner hieben auf die Zurückweichenden ein, die 
Batterien des ersten Corps bestrichen weithin den rechten Flügel des Feindes,
	        
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