Feldzug in Frankreich. 769
nannte er sich nur einen vom Glücke begünstigten Soldaten; aber ein—
mal doch mußte der Unmuth heraus. In höchster Leidenschaft schrieb er
dem Staatskanzler an einem Tage drei Briefe voll heftiger Anklagen,
beschuldigte in seinem Zorne selbst Stein und Blücher des Undanks.“)
Die Gerechtigkeit des Königs gab ihm bald Genugthuung; er trug nach-
her den Ordensstern, der im Wagen Napoleon's gefunden worden. Doch
über den historischen Ruhm, der ihm gebührte, ist die Mehrzahl der Zeit-
genossen nie in's Klare gekommen; erst ein späteres Geschlecht seiner
Landsleute ward seiner Größe gerecht, und die Franzosen wissen bis zum
heutigen Tage noch nicht, wer der erste Feldherr des verbündeten Euro-
pas war.
Der Unmuth zog nur wie ein flüchtiges Gewölk über Gneisenau's
freie Stirne hin. Noch an dem nämlichen 30. Juni war der Held wie-
der ganz bei der Sache, legte den beiden Heerführern seinen Plan für die
Einnahme der Hauptstadt vor. Während Bülow die leidlich befestigte
Nordseite von Paris durch Scheinangriffe beschäftigte, marschirte Blücher
mit der übrigen Armee rechtsab, überschritt die Seine unterhalb der Stadt
und schickte sich an, den Platz vom Süden her anzugreifen; am 2. Juli
wurde Bülow von den nachrückenden Engländern abgelöst und folgte dem
Feldmarschall. Die letzten Kämpfe an der offenen Südseite fielen wieder
allein den Preußen zur Last. Umsonst versuchte Davoust in einem be-
weglichen Briefe Waffenruhe zu erbitten. Die Behauptung des Marschalls,
nach dem Sturze Napoleon's bestehe kein Grund mehr zum Kriege, klang
dem deutschen Feldherrn wie Hohn; in einer geharnischten Antwort
forderte er den verhaßten Peiniger der deutschen Bürger zur Capitulation
auf: „wollen Sie die Verwünschungen von Paris ebenso wie die von
Hamburg auf sich laden?" Ein unglückliches Gefecht seiner Lieblings-
waffe erschütterte den Alten tief. Die alterprobten brandenburgischen
und pommerschen Husaren, 650 Pferde unter der Führung des kühnen
Sohr, geriethen bei Versailles plötzlich in einen Hinterhalt, unter die
elf Reiterregimenter des Generals Excelmans; als sie zurücksprengten,
verirrten sie sich in dem Dorfe Chesnoy zwischen die hohen Mauern
einer Sackgasse. Ein Drittel schlug sich durch, die Anderen wurden
größtentheils niedergehauen. Unter ihnen auch der blutjunge Freiwillige
Heinrich von York, der Lieblingssohn des Generals; der rief, als die Feinde
ihm Pardon anboten: „ich heiße YVorkl“ und hieb um sich bis er zusammen-
brach. So mußte der eiserne Mann, der einst den deutschen Krieg begonnen,
dicht vor dem letzten Siege noch einmal mit seinem Herzblute zahlen.
Am 2. Juli drang das Corps Zieten's nach einem heftigen Ge-
fechte bis auf die Hochebene von Menudon vor. Als der wilde Van-
damme in der folgenden Nacht versuchte, von Issy aus diese Position
*) Gneisenau an Hardenberg, drei Briefe aus Gonesse 30. Juni 1815.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. 1. 49