Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Verhandlungen über den Eintritt des preußischen Gesamtstaates. 155 
Vaterlande angehörte, ebenso sicher ließ sich doch voraussehen, daß weder 
sterreich noch die Mittelstaaten diese Ostmark jemals freiwillig in den 
Deutschen Bund aufnehmen würden, da sie ja samt und sonders die Be— 
schränkung der preußischen Macht als den Hauptzweck der Bundespolitik 
betrachteten. 
Der Staatskanzler beschwor daher seinen königlichen Herrn, nicht 
durch einen solchen Antrag allgemeines, peinliches Aufsehen zu erregen 
und „aus der Reihe der europäischen Mächte gleichsam herauszutreten“; 
er verschmähte sogar nicht die perfide Frage: „würde man dadurch nicht 
der Idee von Deutschheit noch mehr Nahrung geben, die in den Schwin— 
delköpfen der Zeit liegt?““) Humboldt schloß sich dem Staatskanzler an 
und erinnerte nachdrücklich an die schwer errungene Stellung Preußens 
innerhalb der europäischen Pentarchie. Auch Goltz berichtete aus Frank- 
furt: alle Kleinstaaten wünschten, daß der Bund nur eine passive Rolle 
in der europäischen Politik spiele, und würden mithin nimmermehr den 
Eintritt des preußischen Gesamtstaates genehmigen. Nochmals stellte 
Hardenberg dem Könige vor, welches Mißtrauen der Plan in Petersburg 
und an den kleinen Höfen erwecken müsse.) Die Möglichkeit aber, daß 
Preußen dereinst durch eine österreichisch gesinnte Bundestagsmehrheit wider 
Willen in einen italienischen Krieg der Habsburger hineingerissen werden 
könnte, fand noch in keiner dieser Denkschriften Erwähnung; ein solcher 
Fall lag noch weit außerhalb des Gesichtskreises der Zeit. Wurde Oster- 
reich in der Lombardei angegriffen, so war Preußen nach der einstimmigen 
Ansicht der Berliner Staatsmänner, unzweifelhaft verpflichtet, den Bundes— 
genossen zu unterstützen; denn wer anders als Frankreich konnte den An— 
griff unternehmen? an eine Schilderhebung der Piemontesen wagte noch 
niemand zu denken. 
Der König blieb unerschütterlich: „Ich kann“, erwiderte er dem Staats- 
kanzler (1. Dezbr. 1817), „in dieser so überaus wichtigen Sache durchaus 
keine anderen Beschlüsse fassen, indem ich zu sehr von der Gefahr durch- 
drungen bin, in die der Staat kommen kann.““““) Hardenberg mußte also 
schweren Herzens den Plan des Monarchen, nebst einer ausführlichen Denk- 
schrift Ancillons, durch Geh. Rat Jordan der Hofburg mitteilen lassen. 
Metternich aber war über seine Antwort nicht im Zweifel. Nichts lag ihm 
ferner als der Gedanke, den preußischen Antrag etwa durch das Anerbieten 
des Eintritts von Gesamt-Osterreich zu überbieten; so verwegene Ent- 
schlüsse galten damals noch allgemein als unausführbar, sie widersprachen 
den Grundanschauungen der Stabilitätspolitik und erschienen dem Wiener 
Hofe um so törichter, da man ja den Plan der Bildung eines italieni- 
  
*) Hardenberg an den König, 23. Februar 1817. 
*7*') Humboldts Votum, 12. Juli, Hardenbergs Denkschrift, 1. Dezbr., Goltzs 
Denkschrift 30. Dezbr. 1817. 
*“' '#) König Friedrich Wilhelm an Hardenberg, 1. Dezbr. 1817.
	        
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