Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

156 II. 4. Die Eröffnung des Deutschen Bundestages. 
schen Bundes noch nicht aufgegeben hatte. Der österreichische Staatsmann 
sendete seinem preußischen Freunde einen zärtlichen, hochpathetischen Brief 
(9. Jan. 1818), der für jedermann — allein den König und den Staats- 
kanzler ausgenommen — ein ewiges Geheimnis bleiben sollte. Er schil— 
derte beweglich, wie die glückliche Eintracht der beiden Mächte allein auf 
der vollkommenen Gleichheit ihrer Stellung beruhe. „Diese Gleichheit be— 
seitigen hieße das ganze Gebäude umstoßen. Hüten wir uns, mein Fürst, 
an dieser glücklichen Lage irgend etwas zu verändern!“ Eine beigefügte 
Denkschrift behauptete mit stolzer Zuversicht: Würde einer der Bundes- 
staaten in seinem nicht-deutschen Gebiete unrechtmäßig angegriffen, „so 
würde es kaum einmal einer Defensiv-Allianz bedürfen um den Bund in 
Tätigkeit zu versetzen; sein eigenes Interesse würde ihn dazu bewegen. 
Der Fall, daß Osterreich oder Preußen getrennt von Rußland angegriffen 
würde, ohne daß die eine oder andere Macht für ihren Bundesgenossen 
Partei nähme, liegt so sehr außer aller Möglichkeit, daß es überflüssig 
wäre dabei zu verweilen.“ Der König jedoch ward weder durch die Mah- 
nungen Osterreichs noch durch eine neue Denkschrift seines Staatskanzlers 
überzeugt und verlangte, obgleich Hardenberg dringend abriet, ein Gut- 
achten der auswärtigen Abteilung seines Staatsrats.) Hier stimmten 
nach lebhaften Verhandlungen schließlich alle darin überein, daß der Vor- 
schlag des Königs angesichts der Gesinnung der deutschen Bundesstaaten 
vorläufig unausführbar sei. Selbst der Vertraute des Monarchen, der 
wackere Oberst Witzleben, der anfangs für die Ansicht seines königlichen 
Freundes aufgetreten, ward durch die überlegenen Gründe der Gegner ge- 
wonnen. Nun endlich gab der König nach und genehmigte (24. April), 
daß außer den alten Reichslanden nur noch Geldern, Schlesien und die 
Lausitz dem Bunde beitraten. Unmutig fügte er hinzu, dies geschehe 
gegen seine Uberzeugung.“) Also wurde die Absicht König Friedrich Wil- 
helms, das alte Pflanzungsland des deutschen Mittelalters wieder in den 
Staatsverband der Nation zurückzuführen, für diesmal vereitelt. Erst ein 
Menschenalter darauf, unter den Stürmen der Revolution, sollte der Plan 
wieder aufleben, und erst nach abermals achtzehn Jahren, als die Herr- 
schaft Osterreichs zusammenbrach, ward er für die Dauer verwirklicht. 
Ebenso unglücklich verliefen die Verhandlungen über das Bundesheer. 
König Friedrich Wilhelm betrieb sie mit unermüdlichem Eifer, denn da 
Preußen selbst fünf Prozent der Bevölkerung zum Heer stellte, so hielt er 
sich berechtigt von den Bundesgenossen mindestens annähernd gleiche Lei- 
stungen zu fordern. Metternich dagegen legte auf die Organisation der 
  
*) Ancillons Denkschrift für den Wiener Hof, 5. Dezbr. 1817. Metternichs Brief 
und Denkschrift an Hardenberg, 9. Januar 1818. Hardenbergs Denkschrift, Engers 
22. Februar 1818. Kabinettsordre an den Staatsrat, 8. März 1818. 
**) Die zwei Gutachten Witzlebens bei Dorow, J. v. Witzleben S. 115 ff. Harden- 
bergs Tagebuch, 24. April 1818.
	        
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